Weltreise Tagebuch

#174 Die Gipfel Europas auf der Ruta del Cares

Carsten

11. Mai 2019

Der Norden Spaniens wird von den meisten Touristen wenig beachtet, denn die zieht es vorwiegend an die Ostküste, um Sonne, Sand und Meer zu geniessen. Wir sind nun auf der Suche nach Sonne, Berge und mehr 😉 Der Wetterbericht bringt für die nächsten Tage perfektes Bergwetter und unser Ziel im Norden, der älteste Nationalpark Spaniens, genannt Picos de Europa (also Gipfel von Europa), lockt mit zahlreichen Bergtouren.

Nach unserer ersten Nacht in Spanien wachen wir auf und es regnet. Na gut, noch ein bisschen liegen bleiben und bei der nächsten Regenpause kriechen wir aus unseren Schlafsäcken und frühstücken in Ruhe. Der Norden Portugals hat uns ja schon mächtig begeistert. Nun sind wir gespannt was wir im Norden Spaniens erleben werden. Die Straßen sind gut ausgebaut und schon bald kommen wir an die Nordküste mit Blick auf die Biskaya. Auch nicht schlecht, aber wir wollen Berge und deshalb verlassen wir wieder die Küste, um in die Picos de Europa hineinzufahren. Schnell ändert sich die Landschaft und um uns herum sind die ersten der mehr als 200 Gipfel, die über 2000 Meter hoch sind. Der erste Eindruck ist schon mal grandios. Die Ausblicke sind spannend und die Sonne lacht auch wieder.

Es ist schon Nachmittags und wir begeben uns auf die Suche nach dem Einstieg für die morgige Wanderung und einen Stellplatz für die Nacht. Der Einstieg ist schnell gefunden und am Ende der schmalen Sackgassenzufahrt wartet schon ein Ziegen-Model auf uns. Da sitzt sie kauend auf einem kleinen Fels und posiert allein für uns oder langweilt sich schlicht und freut sich, wenn wir wieder weg sind – wir werden es nicht erfahren 😉 Dafür können wir ein paar sehr schöne Aufnahmen machen und das Tier ganz nah erleben.

On the road durch die Picos de Europa

Können Ziegen lachen? 🙂

Ziegen-Model 😉

Spitz und steil

Morgen früh wollen wir hier wieder herkommen und einen der raren Parkplätze nutzen, um mit dem frühen Morgenlicht los zu steigen. Es warten 12km und ca. 661hm auf uns – also mal zwei, wir wollen ja auch wieder zurück 😉 Es sei die spektakulärste Schluchtenwanderung Spaniens, sehr beliebt und steil ist sie zu Beginn wohl auch. Alles Gründe für einen frühen Start. Die Rede ist von der Ruta del Cares, die von Poncebos durch die Cares-Schlucht nach Caín führt. Ursprünglich wurde dieser Weg als Instandhaltungsweg für den in den Jahren 1915 bis 1921 gebauten Wasserkanal in den Felsen geschlagen. Das Wasser, dass in Wasserkraftwerken endet, durchfliesst 71 Tunnel, die schon damals in den Fels geschlagen wurden und heute noch
Bestand haben. Wir sind gespannt und freuen uns auf das Erlebnis.

Jetzt fahren wir erstmal zwei Kilometer aus dem Tal raus und schauen uns einen Parkplatz an, auf dem wir den Abend und die Nacht verbringen möchten. Wir finden nur zwei weitere PKWs vor und der einzige ebene Stellplatz ist auch noch frei 🙂 Sehr cool! Ruhig, mega Bergkulisse und abseits der Straße. Wir stellen unsere mobile Küche neben unseren Wagen und schnibbeln und brutzeln uns was Leckeres zum Abendessen. Die anderen Wagen verschwinden langsam und dafür gesellen sich einige Ziegen zu uns. Die sind allerdings ebenso wenig an uns interessiert, wie die zwei Dutzend Gänsegeier, die sich in einiger Entfernung mit Hilfe der Thermik hoch in den Himmel schrauben.

Schlafplatz

Aussicht von unserem Schlafplatz

Kochshow 😉

Gänsegeier leben in Kolonien von über 100 Vögeln, wobei das in Europa kaum noch vorkommt, da sich die Bestände noch nicht wieder erholt haben. 2004 war der Bestand Europas bei ca. 24.000 Brutpaaren und davon lebten über 22.000 in Spanien. Nur in Frankreich, Portugal und Griechenland gibt es jeweils auch noch mehr als 100 Paare.

Ihr Balzritual besteht aus einer Art Tandemflug, in dem sie die Flugmanöver parallel und nah beieinander ausführen – so können sie dann in der Luft zusammen „tanzen“ 🙂
Die schroff abfallenden Felsflanken der Picos de Europa bieten den Gänsegeiern perfekte Nistbedingungen und die ursprüngliche Natur reichlich Auswahl an Aas. Dort wo der der Mensch wenig eingreift, scheint der natürliche Kreislauf zu funktionieren.

Zwei Dutzend Gänsegeier

Leider weit weg trotz 600mm Objektiv

Langsam wird es wieder richtig frisch und wir machen es uns im Wagen gemütlich. Obwohl es tagsüber ordentlich warm bis heiss wird, fallen die Temperaturen nach Sonnenuntergang rapide und gerade in den Bergen bzw. den dazugehörigen Schluchten ist es dann echt schattig 😉 In der Nacht werden wir kurz von ein paar umherfahrenden Fahrzeugen geweckt und siehe da, am nächsten Morgen stehen noch ein paar zusätzliche Wohnmobile auf dem Parkplatz. Als wir unser Schlafzimmer am nächsten Morgen verräumen, ist es noch dunkel und wir machen uns zügig auf den Weg zum heutigen Einstieg. Dort stehen zwar auch schon ein paar Autos, doch der meiste Platz ist noch frei. Nun erstmal ein kleines Müsli als Basis und dann im Morgengrauen um halb sieben ab nach oben 😉 Die ersten zwei Kilometer geht es recht steil bergan und wir erreichen schnell unsere Bertriebstemperatur.

Abwechslungsreicher Weg durch die Cares-Schlucht

Wolken ziehen durch die Schlucht, bleiben an den Gipfeln hängen und werden von dem relativ heftigen Wind auseinander gezogen. Hmm, echt windig heute, wenn das mal gut geht. Es geht gut, und wie. Das Licht- und Schattenspiel ist die reinste Freude, die Farben wunderschön und die Ausblicke fantastisch 🙂 Immer wieder bleiben wir stehen und geniessen alles, was um uns herum geboten wird. Wir kommen nur langsam voran, aber das macht uns nichts aus. Von weiteren Wanderern ist noch nichts zu sehen und es wäre zu schade nicht immer wieder inne zu halten.

Ausser uns ist noch niemand da 😉

Fast niemand 🙂

Das Licht wechselt dank schnell ziehender Wolken im Sekundentakt

Dieser alte Weg ist in einem echt gutem Zustand und mittlerweile für den Wandertourismus an besonders engen Stellen verbreitert worden. Er zieht sich schön weit oben am Hang entlang und bietet tolle Tief- und Weitblicke. Unterhalb von uns sehen wir noch einen weiteren Pfad, der an seinem Ende steil nach oben gehend auf unseren trifft. Am höchsten Punkt des Weges angekommen können wir den weiteren Verlauf einsehen und sind begeistert. Auch wenn wir nur spazieren gehen, denken wir gleich, dass wäre der perfekt Trail zum Laufen. Wenn ich wieder fit bin vielleicht 😉

Krasse Einschnitte, extrem steile Flanken und immer wieder taucht der Wasserlauf auf

Wasserlauf fürs Kraftwerk – eiskalt und schnell fließend

Staumauer am Ende kurz vor Caín

Die leuchtende Cares unten im Tal

Wir gehen weiter und treffen auf die ersten Wasserkanäle. Unglaublich, was damals hier malocht worden ist. 500 Menschen haben wohl dran gearbeitet und elf von ihnen seien dabei umgekommen. Bei dem spektakulären und ausgesetzten Gelände ist das kein Wunder und beeindruckend, dass noch heute der gleiche Wasserlauf genutzt wird. Während wir so staunen und sinnieren sehen wir die ersten Wanderer ganz klein unter uns. Wow, die sind aber echt schnell. Als sie näher kommen ist dann auch alles klar. Trailrunner! Es dauert nicht allzu lange und sie überholen uns mit einem freundlichen Lächeln, während wir neidisch hinterher schauen. Dann machen wir halt erstmal weiter Fotos und geniessen die Langsamkeit. 🙂

Spot an!

Gut gelaunte Bergläufer 🙂

Der Weg führt uns immer näher an Caín heran und nun kommen uns nicht nur die ersten Wanderer entgegen, auch die ersten engen dunklen Tunnel gibt es zu durchwandern. Kopf einziehen und aufpassen nicht in die nächsten tiefen Pfützen zu tapsen. Hier kommt das Wasser von oben durch das Gestein gesickert und sorgt für Abkühlung. Am Ende der Tunnel ist die Staumauer, an der das Wasser für die Stromgewinnung abgezweigt wird. Noch ein paar hundert Meter weiter kommt das Dorf Caín, doch da wir unsere Brotzeit mithaben, setzen wir uns gleich an das Flussufer und rasten. Um uns herum fliegen bunte Insekten und Vögel und das Rauschen des Wassers dämpft die Stimmen vom Wanderweg.

Was für ein spannender Weg!

Es ist voller geworden und die Sonne ist auch auf dem Weg zum Höhepunkt des Tages. Glücklicherweise noch auf dem Weg, doch wir müssen ja auch noch die ganze Strecke zurück. Also los, hoch mit den Popöchen und auf bzw. rauf geht‘s 😉 Auch wenn es nicht anstrengend wirkt, wir merken langsam unsere müden Beine. Die Sonne knallt immer heftiger, der Wind ist weg und es geht wieder kontinuierlich bergauf. Nicht steil, aber die Kilometer summieren sich. Faszinierend Ausblicke und das ganz andere Licht des Mittags lenken uns jedoch auch auf dem Rückweg von den Strapazen ab. Immer noch kommen uns Wanderer entgegen und andere wiederum überholen wir. Auch die Trailrunner kommen wieder an uns vorbei. Ganz schön was los hier – in der Nebensaison. Wir möchten gar nicht wissen, wie es hier am Sonntag zugeht und sind froh über unseren frühen Start.

Ohne Tunnel und Brücken geht hier nix 😉

So eine schöne Landschaft 🙂

Eine Stunde vor unserem Ziel sehen wir einen schattigen Platz und rasten nun doch noch mal. Schatten ist auf dem mittleren Teil des Weges echte Mangelware, genau genommen gibt es nur dieses eine Plätzchen 😉 Kurz ausruhen, etwas Wasser trinken und weiter gehts. Die Mittagshitze fordert ihren Tribut und wir kommen um 14.45 Uhr am Wagen an. Die Straße ist komplett zugeparkt und es ist echt krass, wieviel Autos hier stehen und wo und wie sie noch einen Platz gefunden haben. Für uns heißt es erstmal alle Türen zum Lüften auf, raus aus den qualmenden Socken und hinein mit leckerem kühlen Getränk. Wir sind ziemlich ausgepowert und trotzdem voller Begeisterung über diesen echt tollen Weg durch die Schlucht oberhalb des Cares. Was eine schöne Wanderung – was ein schöner Tag!

Es ist erst 15 Uhr und wir fahren gleich weiter zu unserem nächsten Ziel, dem Gebiet rund um die Gletscherseen von Covadonga 🙂 Gemütlich fahren wir durch Dörfer, erfreuen uns über unsere müden Körper und das wir es heute nicht mehr weit haben. Zu früh gefreut, es folgen einige Kilometer fast einspurige steile Serpentinen mit Gegenverkehr, der nochmals unsere Aufmerksamkeit fordern. In der Hauptsaison darf nur im Tal geparkt werden und die Seen nur per Bus angefahren werden. Die vielen Parkplätze im Tal und die gesamte Infrastruktur machen deutlich, was hier im Sommer abgehen muss. Wir dürfen, dank der Nebensaison, bis ganz nach oben zu den Seen fahren und können dort auch gleich den Sonnenuntergang hinter den Bergkuppen geniessen und auf einem leeren und einsam gelegenen Parkplatz übernachten. Ach ja, das Vanlife hat schon was!

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