Weltreise Tagebuch

#149 Die skurrile Felsenkunst der Zedernberge

Nadine & Carsten

26. – 27. Januar 2019

Wir schnappen uns einen Mietwagen und machen uns auf den Weg in die touristisch kaum bekannten Zedernberge. Die „Cederberg Wilderness Area“ ist für atemberaubende Felsformationen bekannt und erinnert uns stark an den Südwesten der USA. Wer hierher kommt, will entweder klettern oder wandern gehen. Da aktuell Temperaturen bis 40 Grad herrschen, entscheiden wir uns für leichte Wandertouren 🙂

Der glückliche Tag des Abschieds ist gekommen, wir verlassen Kapstadt 🙂 Mit Uber geht es zur Autovermietung und nach dem ganzen Vertragsprozedere können wir endlich losmachen. Nun nur noch schnell die Essenvorräte auffüllen und dann nichts wie weg. 260 Kilometer liegen vor uns und davon soll ein Drittel Schotterstraße sein, mal schauen wie sich der kleine Ford macht – einen Ersatzreifen haben wir ja dabei 🙂

Der Verkehr in Kapstadt ist nahezu radfahrerfrei, was bei dem Fahrstil der Kapstädter auch kein Wunder ist, aber so kommen wir zügig auf die Schnellstraße und anderthalb Stunden später heißt es Staub fressen, zumindest für unsere Reifen 😉 Den Reifendruck brauchen wir hier nicht ändern, die Reifenwände sind für niedrigen Druck nicht ausgelegt. So rumpeln wir möglichst vorsichtig über die Piste, die sich angeblich in gutem Zustand befinden soll und ohne Allrad möglich sein soll. Nun gut, das ist Ansichtssache 😛 Unsere Durchschnitsgeschwindigkeit sinkt dementsprechend – nicht nur wegen der tollen Aussicht auf die beeindruckende Natur. Nadine leidet mit dem Wagen und sieht schon die erste Reifenpanne kommen. Denn schon ab 15 Stundenkilometer Fahrgeschwindigkeit rappelt und klappert es doch enorm in der engen Kiste. Andererseits will der Fahrer, hier und heute Carsten, auch irgendwann ankommen und seine Füße wieder entspannen. Nach ein paar Minuten des Jammerns auf beiden Seiten, gibt es einen Kompromiss und der lautet: Der Fahrer bestimmt das Tempo angepasst an die Nerven des Beifahrers, der sich seinerseits bemüht auch 25km/h als akzeptabel hinzunehmen 😉 Wir fahren weiter und denken mit Wehmut an unseren Toyota Hillux in Namibia. Der kostete allerdings auch mehr als das Vierfache! 😛

Passstraße zu den Zederbergen

Und hier sind wir schon mitten in der „Cederberg Wilderness Area“

Tapfer bringt uns der kleine Ford in weiteren zwei Stunden zu unserer neuen Unterkunft, dem Cederberg Oasis Bike & Backpacker Resort. Wir haben ein Mehrbettzimmer mit Kochecke gebucht und sind freudig überrascht, dass wir es für kleines Geld für uns allein haben. Alle anderen privaten Unterkünfte in den Zedernbergen, kosten locker doppelt so viel und mehr.

Die Zedernberge werden hauptsächlich von den Kapstädtern am Wochenende besucht und von ein paar Ausländern wie uns, die auf diesen recht unbekannten Flecken aufmerksam geworden sind. Dafür gibt’s aber auch kaum Infos im Internet zu finden und wir mussten uns alles ein bisschen mühsamer als sonst zusammensuchen. Dafür bekommen wir auch was wir gesucht haben: Pfade, die untouristisch und wenig erschlossen sind. Besonders jetzt im Sommer, bei sengender Hitze, sind kaum Wanderer unterwegs. Die meisten Südafrikaner kommen im August und September (Frühling), wo hier die gesamte Fynbos Vegetation blüht und die sanften Berghänge in ein Blütenmeer verwandelt. Außerdem sind dann auch die Temperaturen viel angenehmer. Im Winter kann dagegen sogar Schnee fallen! Noch ein spannendes Detail: In den Zederbergen wächst der berühmte Roiboos Tee und wird von hier für den Export fertiggestellt. Ein weltweites Alleinstellungsmerkmal.

Nach einer sehr warmen Nacht ruckeln wir am frühen Morgen mit dem Wagen zu der Sehenswürdigkeit „Stadsaal Cave & Rock Art“. Es geht über Schotterpisten hinein in Sandpisten. Jetzt bloß nicht anhalten, wir haben ja keinen Allradantrieb und außer uns ist auch niemand zu sehen, der uns im Zweifel aus der Patsche helfen könnte. Der Hinweg läuft perfekt und die bizarre Umgebung macht einfach nur Spaß.

Stadsaal Caves – hier steht die Fotografin unter einer Felsbrücke 🙂

Nadine neues Königreich

Noch so ein toller Aussichtspunkt

Auf der Sonnenbank

So tun als ob….. 😉

Für die „Cederberg Wilderness Area“ selbst muss man übrigens keinen Eintritt zahlen, aber sobald man einen der Wanderwege gehen möchte, muss man ein Permit dafür bezahlen. Die gesamte Region unterliegt strengen Vorschriften, da man das empfindliche Ökosystem nicht mit zu viel Tourismus belasten will. Die Anzahl der Besucher ist pro Tag und Zone beschränkt. Mit Pech haben sich schon vorab zu viele Leute für einen bestimmten Wanderweg eingetragen und dann wird man selbst nicht mehr reingelassen. Wir haben es darauf ankommen lassen und nicht schon Wochen vorher nach Permits gefragt (dafür sind wir einfach zu spontan unterwegs), sondern uns darauf verlassen, dass wir dank Nebensaison nicht so viele Mitwanderer haben. Der Plan ging zum Glück auf 🙂 Jedes Permit muss man woanders erwerben, in dem Fall konnten wir es direkt bei unserer Unterkunft kaufen. Dazu gab es dann einen Plan wie man hinkommt und den Code für ein Zahlenschloss. Die Zufahrtsstraßen sind nämlich eingezäunt und ohne Code kommt man mit dem Wagen nicht rein. Zwar könnte man über den Zaun klettern und zu Fuß weiter, allerdings läuft man dann noch einige Kilometer bevor man überhaupt an den Anfang des Wanderweges kommt. Ist also keine Option – nur falls da einer drüber nachdenken sollte 😉

Wir erkunden die vielen höhlenartigen Felsberge, bewundern die skurrilen Steinformationen und wie sehr sich die Farbe der Sandsteinfelsen im Lichte der Sonne verändert. Und das bei völliger Einsamkeit! Wir haben die Stadsaal Caves ganz für uns allein 😀

Wir turnen auf kleineren Felsen herum, suchen Aufstiegswege auf größere und entdecken ständig neue Felsgestalten. Eine sieht aus wie ein Schwein, eine andere wie ein Hexengesicht. Alles eine Frage der Perspektive und Fantasie! Kinder hätten hier mindestens so viel Spaß wie Erwachsene.

Eine der Höhlen hat eine Öffnung in der Decke, durch den die Sonne scheint und einen mystischen Lichtstrahl auf den Boden wirft. Zumindest zur Mittagszeit, wenn sie hoch genug steht. Wir sind allerdings zu früh dran für dieses Spektakel. Aber auch ohne die Sonne ist die Höhle schön anzusehen.

Gegenüber liegt eine Art Felsbrücke, die im vorderen Bereich eine sehr spezielle Felsformation besitzt. Das ganz sieht extrem zerbrechlich und porös aus. Zum Glück sind es keine tragenden Elemente der Brücke. Dafür kann man dort ein ovales Fenster finden, wo man hindurchgucken und Grimassen schneiden kann 😛 Yipppieh, heute ist Kindertag 😀

Kleines Höhlensystem

Steine umarmen und dabei Grimassen ziehen 😛

Nachdem wir genug gesehen haben, kehren wir zum Auto zurück und schauen – mal wieder – nach den Reifen und oha – da ist doch der hintere ein bisschen platter als der Rest. Einbildung oder doch eine Reifenpanne? Wir werden es beobachten, aber bevor wir zur Unterkunft zurück fahren, wollen wir erst noch der berühmten Felsmalerei hier in der Nähe einen Besuch abstatten. Heißt ja nicht umsonst „Stadsaal Caves & Rock Art“ 😉 Das Volk der San hat vor der Vertreibung durch die Europäer unter anderem auch in den Zedernbergen gelebt und mit zahlreichen Felsmalereien ihre (religiösen) Rituale verewigt. Einige sind 300, andere bis zu 6000 Jahre alt.

Wow, der ist mal gut getarnt!

Die Felsmalerei von Stadsaal

Hier sieht man vermutlich Schamanen, die mitten in einer Zeremonie sind. Die Elefanten können symbolisch gemeint sein, da die San nicht bewaffnet sind und sie somit nicht auf Jagd ein können. Möglich ist, dass die Schamanen ein Regenritual vollführen und sich in Trance mit ihrem Geist in ein Regen Tier versetzen. Ein Elefant ist z.B. so ein Regen Tier. Es sind nur Mutmaßungen, denn es gibt nur mündliche Überlieferungen des Glaubens und der Traditionen der San. Die Elefanten Felsmalerei ist mindestens 1000 Jahre alt.

Wir schauen uns noch ein bisschen in der Umgebung um, finden aber keine weitere Felsmalerei und kehren wieder um. Wir haben Glück im Unglück. Es ist noch Luft im Reifen und die sollte reichen um zurück zur Unterkunft fahren zu können. Vorsichtig und ohne schnelle Manöver rollen wir vor die Rezeption und schauen uns den Reifen doch mal genauer an. Siehe da, ein ganz toller Schraubnagel schaut uns aus dem Profil heraus an. Das dürfte wohl der Übeltäter sein. Der Chef des Hauses lächelt nur und sagt: „Das ist Standart auf den Schotterpisten.“ Wir fragen nach einem Schnellreparatur-Set, wie wir es im Toyota Hillux dabei hatten. Das Reparatur-Set bestehend aus einem Drahtgeflecht mit selbstvulkanisierendem Gummigemisch, einer Feile und einem Dorn zum Hereintreiben des Drahtes – gehört hier scheinbar in jedes Auto und eben auch in das des Chefs 😉

Wir brauchen nicht einmal den Reifen abzuschrauben, denn gleich gesellt sich noch ein Biker dazu, hebelt den Bösewicht aus dem Reifen und gemeinsam wird schnell das Loch geflickt. Fehlt nur noch die neue Luft. Und die kommt aus einem kleinen Kompressor, den der Biker auch noch mit im Gepäck hat. Was heute so alles beim Mopedfahren so mitgenommen wird – unglaublich und unser Glück 😉 Wir machen noch ein paar Stunden Pause und hoffen, dass die Luft im Reifen bleibt – sie bleibt, juchhuu 🙂 Noch schaut es aus, als ob ein Pfeifenputzer aus dem Reifen hängt, aber um es vorweg zu nehmen, nach ein paar Stunden Fahrzeit ist auch davon Null Komma Nix mehr zu sehen und alles ist wie neu.

Am späten Nachmittag steigen wir noch mal in den Wagen und fahren zu dem kompliziert auszusprechenden „Truitjieskraal“. Auch hier konnten wir das Permit direkt in unserer Unterkunft kaufen. Das Nachmittagslicht taucht die Felsenwelt in ein warmes Orange und wir sind froh, dass die Sonne nicht mehr so hoch steht und deutlich weniger Kraft hat. Ist aber immer noch heiß genug 😛

Truitjieskraal

Was für Wände….!

Unserer tapferer Ford ist auch ein bisschen geländetauglich 😉

Wir sind wieder alleine unterwegs. Nicht einen Pavian, nicht ein Zebra, ja noch nicht einmal einen Dassie sehen wir. Dabei sollen sich hier sogar Wüstenluchse und Leoparden herumtreiben. Aber auch wenn in den unwirtlichen Zederbergen nicht viele Menschen wohnen, so sind diese Burschen trotz der Ungestörtheit, scheue Burschen.

Dafür entdecken wir ein paar wilde Felsgestalten – zwar alles nur in unserer Fantasie, aber immerhin sehen wir das Gleiche 😀 Zum Beispiel zwei küssende Gesichter oder den Unterkiefer von T-Rex 😛 Ein Paradies für Kinder und auch für Erwachsene, die noch ihre Fantasie anregen können.

Ein Bewegung im Augenwinkel holt uns wieder in die Realität zurück. Eine Maus! Und was für eine Süße! Sie hat einen kleinen Rüssel als Nase und schnuppert durch die Luft. Wir bleiben regungslos stehen. Und versuchen – ohne Hoffnung, dass sie sitzenbleibt – ein Foto von ihr zu machen. Langsam heben wir unsere Kameras und richten die Objektive auf sie. Sie bleibt sitzen! Und es kommt noch besser. Eine kleine Echse huscht auch noch den Felsen zu ihr hoch und kommt mit ins Bild 🙂 Eigentlich haben Mäuse eine sehr hohe Fluchtdistanz. Aber dieser hier kann Nadine bis auf einen halben Meter Nahe kommen und sogar mit dem Handy ein Foto von ihr machen 😀 Was für ein tolles Erlebnis. Später finden wir übrigend heraus, dass die Maus eine „Sprungspitzmaus“ im Englischen „Elephant Shrew“ ist. Eine Elefantenmaus sozusagen 🙂 Sie zählt zu den „Little 5“ (analog zu den „Big 5“) und ist dank vieler Fressfeinde enorm scheu und sehr selten zu sehen. Was haben wir doch für ein Glück!

Schillernde Echse

Felsgestalten Teil 2

Felsgestalten Teil 1

Sprungspitzmaus

Es gibt drei Parkplätze im Truitjieskraal Gebiet. Am zweiten (mittleren) Parkplatz führt ein Rundweg durch die gigantische Felsenwelt. Alle paar Meter tauchen Schautafeln auf, die über die San, die Vegetation und die Tierwelt aufklären. Ebenso kann man hier einige Felsmalereien bewundern. Komplett ohne Absperrung. Anfassen ist natürlich trotzdem verboten! Während die Sonne immer tiefer sinkt, strahlen die Felsen ein tiefes Rotorange aus. Wir laufen an senkrechten Felswänden vorbei und sehen einige Bohrhaken, wo Kletterrouten entlanglaufen. Scheinen knackige Routen zu sein! Und bei den scharfkantigen Felsen sicher auch nicht gerade angenehm zu greifen.

Truitjieskraal

Wie lange das wohl noch hält?

Ein Eldorado für Kletterer

Ein Schmankerl kommt noch fast am Ende des Wanderweges. Nein, eigentlich sogar zwei 🙂 Das erste ist eine Felswand, in der ein mannsgroßes Fenster klafft und wo Nadine, nach ein bisschen Kraxelei drinnen stehen kann und vom goldenen Abendlicht angestrahlt wird. Unter ihr gehts senkrecht runter und so sieht das Ganze recht spektakulär aus (war aber nicht gefährlich 😉 ).

Und das zweite war eine Felsspalte, durch die mann/frau gerade so reinpasst und die an den Bryce Canyon in den USA erinnerte (zumindest was wir so von Bildern kennen 😉 ). Wir wären gerne noch etwas länger geblieben, aber wir wollen ungern die deutlich schlechte Schotterstraße im Dunkeln zurück fahren.

Ein Felsenfenster zum Sonnenuntergang 🙂

So kommen wir pünktlich zur Mückenzeit wieder in unserer Unterkunft an und stellen den Ventilator auf die maximale Stufe 😀 Ein schöner Tag geht zu Ende und wir sind froh, dass wir trotz Reifenpanne so viel erleben konnten. Beide Sehenswürdigkeiten waren spektakulär, aber Truitjieskraal hat ein kleines bisschen mehr die Nase vorne und ist heute unser Gewinner 😀

Morgen wandern wir zu einer Felsformation die „Malteser Kreuz“ genannt wird und eine beliebte Tour sein soll. Wir wollen definitiv zeitig los. Mittagshitze vermeiden…Das übliche Spiel 😛
Die Nacht ist leider wenig erholsam. Wir werden trotz Ventilator von Mücken gepiesackt und bei der Hitze hat man die Qual, ob man unter die Decke kriecht und dafür nicht gestochen wird, aber dem Hitzekollaps nahe kommt, oder ob man das nicht will, aber dafür komplett zerstochen wird. Ja, es ist definitiv Hochsommer und wir verstehen nun auch ganz genau, warum es Nebensaison ist 😀

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