#122 Höllisch schöner Steig im Paradies
Carsten
11. Oktober 2018
Die wildromantische Schluchtenwanderung durch den Slovensky rai hat es in sich. Hohe Leitern und Hängebrücken fordern Schwindelfreiheit und Trittsicherheit, doch die wahren Höhepunkte bietet die Natur mit ihren Farben und Lichtern. Eine Herbstwanderung der besonderen Art.
Der Nationalpark Slowakisches Paradies – Slovensky raj – in den Westkarpaten zieht mit seinen Schluchten und kleinen Wasserfällen so viele Gäste an, dass selbst im Herbst der Campingplatz trotz seiner schlechten Bewertungen sehr voll ist. Wir nehmen uns lieber ein schönes Doppelzimmer in einer kleinen Pension mit Küche und herzlichen Gastgebern in Hrabušice. Da das Zimmer auch noch günstiger ist, als der Campingplatz freut uns das zusätzlich 🙂 Das kleine Dorf Hrabušice wird also unser Basislager für die nächsten zwei Tage. An Tag eins wollen wir einen Rundweg durch verschiedene Schluchten begehen. Angeblich seien es ca. fünf Stunden Gehzeit und wir sind guter Dinge das locker hin zu bekommen, vorausgesetzt es ist nicht zu voll und wir müssen nicht an den Engstellen im Stau stehen.
Wir machen früh los und brauchen doch länger als gedacht für die paar Kilometer Fahrstrecke. Schlaglöcher reduzieren mal wieder die Geschwindigkeit. Der Parkplatz ist klein und nahezu leer, juchhu 🙂 Wenig Leute = gutes Gehen! Kurz vorweg genommen, auf dem Weg treffen wir nur zwei Wanderer und wir müssen nirgendwo warten um weiter gehen zu können, aber unsere Neugier und Freude am Fotografieren lässt die Zeit nur so verrinnen und wir brauchen so deutlich mehr Zeit als vorgesehen.
Wir gehen durch eine fabelhafte Natur deren Pfade geschmückt sind von Herbstlaub und Moosen und mal mehr, mal weniger steil hinauf führen. Zahlreiche Brücken queren die Bachläufe, und Leitern helfen uns über Steilstufen auf die nächste Ebene. An einigen Stellen sind Tritte in den Wänden angebracht worden und stabile Stahlseile bieten zusätzlichen Halt. Nur ein paar „Treppen“ aus Holz sind sehr rutschig und manchmal ist es günstiger über die Felsen zu kraxeln als den Normalweg zu gehen. Wege, wie wir sie lieben 🙂
Die Sonne scheint immer wieder durch die Bäume, glitzert in den Bächen und auch die Spiegelungen der Wasseroberfläche begeistern uns. Pilze und Frösche umrahmt vom bunten Laub lassen uns immer wieder stehen bleiben. Der sportliche Aspekt dieser Schluchtentour tritt vollkommen in den Hintergrund – auch wenn es immer mal schweisstreibend ist 😉 – wir geniessen die Ruhe und Vielfalt ohne Hektik.
Die Hängebrücken sind mit massiven Verankerungen fixiert und immer mal wieder ausgebessert oder nachgerüstet worden. Schon witzig, wenn das Seitengitter zur Sicherheit mit nur einem Draht „befestigt“ (haha) wurde. Für die meisten erfüllt es sicher seinen Zweck, kleine Kinder werden aufgehalten und die großen können sich ja zur Not auch woanders festhalten 😉
Da wir befürchteten, dass es in der Schlucht richtig kalt sein wird, haben wir reichlich Jacken und Handschuhe eingepackt und sind nun aufs Angenehmste überrascht. Die meiste Zeit ist es die perfekte Wandertemperatur, manchmal schwitzen wir sogar ohne Jacke. Auf einer Brücke amüsiert sich dann Nadine über meinen dampfenden Rücken und das mein Atem nach einem kurzen Moment kondensiert und wie eine Wolke neben mir schwebt 🙂
Und das passiert wenn man nach einer sportlichen Betätigung den Rucksack vom Rücken nimmt 😉
Die Leitern sind wirklich cool angebracht und ziemlich stabil. Ohne sie gäbe es nur den Weg von oben nach unten durch Abseilen ohne vorbereitete Fixpunkte, also nicht wirklich eine Alternative. Alternativ zum regulären Weg zwingen uns manche umgestürzten Bäume des letzten Sturms querfeldein zu gehen. Vermutlich wird erst nach dem Winter wieder aufgeräumt und der Weg wieder frei gemacht. Bis dahin gibt es vereinzelte Trittspuren, die Karten App „MapsMe“ und einen guten Riecher zum Finden des nächsten Pfades.
Wir kommen langsam am höchsten Punkt unserer Tour an und Hunger macht sich breit. Als wir auf der Hochebene ankommen sehen wir auch gleich eine Zufahrtsstraße und ein paar kleine Grüppchen auf den Wiesenmatten liegen. Die gleich ums Eck in der Sonne gelegene alte Kartäuserkloster-Ruine Klaštorisko lädt uns mit ihren Picknickbänken und Blick auf die Hohe Tatra geradezu ein etwas abseits zu rasten – Mahlzeit 🙂
Es ist Mittags und wir haben zwei Drittel des Rundweges geschafft. Während des Abstiegs fällt uns auf, dass es doch recht anstrengend war und wir gar keine Lust verspüren weitere Schluchten hinauf zusteigen. Also hinab und zurück zum Ausgangspunkt, für heute reicht es uns. Echt prima, dass die große Runde aus zwei „kleineren“ besteht, die ineinander führen. Genusswandern statt auspowern 🙂 Der Parkplatz ist immer noch gleich leer und wir fragen uns „Wo sind sie alle?“. Diese Frage können wir Dir morgen beantworten, an einem der beliebtesten Orte der Hohen Tatra.