Weltreise Tagebuch

#30 Hoi An – Schmuckkästchen Vietnams

Nadine & Carsten

02. – 05. Februar 2018

Hoi An’s Altstadt wurde 1999 zum Unesco Weltkulturerbe ernannt und gilt unter Touristen als schönste Stadt Vietnams und echtes Must See. Bei so viel Schwärmerei sind unsere Erwartungen ziemlich groß und wir wollen uns mit eigenen Augen überzeugen 🙂

Zuvor gibt es aber einen kleinen Blick auf die Geschichte der Stadt. Kein Sorge: wir versuchen uns kurz zu fassen 😉
Einst hatte Hoi An den größten Hafen Südostasiens und war Handelsmetropole an der Seidenstraße. Im 18. Jahrhundert versandete der Hafen zunehmend und verlor seine wirtschaftliche Bedeutung. Das 30 Kilometer entfernte Da Nang übernahm Hoi Ans Handelsrolle. Zum Glück für Hoi An! Denn ihren „Niedergang“ hat die Stadt den Erhalt des historischen Stadtbildes zu verdanken. Selbst im Vietnam Krieg schenkten ihr die Amerika keine Bedeutung und so gilt die Altstadt als einzige in Vietnam, die unversehrt den Krieg überstanden hat. Heute duchzieht ein bunter Mix aus schönen Handelshäusern, Markthallen und Wohnhäusern den weitestgehend auto- und vorallem rollerfreien Altstadtkern. Die Einflüsse verschiedener Herkunftsländer der zugezogenen Händler sorgen für ein sehr vielseitiges Stadtbild. Hier findet man japanische Einflüsse, indische, französische, holländische, portugiesische und natürlich chinesische 😉

Dank der Unesco Auszeichnung wurde viel Geld in die Restaurierung gesteckt und mit reichlich beleuchtenden Lampions dekoriert. So sieht es mittlerweile ein wenig nach einer Disney-Wohlfühl-Themenwelt für Erwachsene aus. Besonders abends, wenn alle Lampions in der ganzen Farbpalette von feuerrot über zitronengelb bis zu farngrün leuchten, wird man diesen Eindruck nicht los 😉 Definitiv romantisch und natürlich überbieten sich die vielen Bootsfrauen am Fluss mit Candle Light Flussfahrten zwischen all den funkelnden Leuchten. Auch die zahlreichen Restaurants und Bars am Ufer begeistern die Touristen mit zauberhaftem Ambiente.

Lampions statt Sternenhimmel 😉

Bootsfahrt gefällig?

Die Japanische Brücke

Natürlich ist hier alles perfekt zugeschneidert für die Besucher aus aller Welt und klar ist das Ganze ein riesiges Touristen Uhrwerk. Wären sie nicht da, sähe es hier ganz anders aus.
Wirklich wohnen tuen hier nur noch die wenigsten. Ein paar dieser seit vielen Generationen hier lebenden Familien können besucht werden. Dafür holt man sich ein Ticket für 120.000 Dong, mit dem man fünf beliebige Stätten wie zum Beispiel Museen, Versammlungshallen, die Japanische Brücke, Tempel oder eben eines der Alten Häuser besichtigen kann. An Wochenenden werden diese Familien förmlich überrannt. Wir entscheiden uns dagegen. Was muss das für ein Gefühl sein hunderte von fremden Menschen jeden Tag in sein Haus zu lassen?

Altes Haus der Phung Hung

Chinesische Familie, die seit 1780 hier lebt, damals vom Handel und heute vom Tourismus.

Wer sich nicht für die Geschichte interessiert, kann auf Hoi An’s zweitbeliebtestes Standbein zurückgreifen: die Schneiderei. Nirgendwo sonst scheinen sich so viele Schneider wie hier niedergelassen zu haben und so kann man sich den maßgeschneiderten Anzug oder ein traditionelles Gewand auf den Leib schneidern lassen – für westliche Verhältnisse für wenig Geld. Auch Liebhaber von Souvenirs, Schmuck, Taschen, Nippes, Malereien und anderen Kunsthandwerken werden hier nicht nur fündig, sondern quasi überschwemmt. Jeder zweite verkauft irgendwie das Gleiche – sei es die „trendige“ Eulentasche (aus China vermutlich) oder eins der zahlreichen Reisfelder-mit-Frau Malereien. Wer das alles kaufen soll, fragen wir uns.

Wir jedenfalls nicht – kein Platz im Rucksack 😉 Dafür finden wir fernab der Massenroute ein nettes vietnamesisches Lokal, das ein großes Buffet an veganen Speisen anbietet. Hier verirren sich nur wenige Touristen her. Umso beliebter ist es bei Einheimischen. So ist auch die Kommunikation zwar spärlich aber sehr herzlich. Und auch die Speisen sind nicht nur lecker, sondern auch sehr günstig und wir kommen jeden Tag wieder. Die Betreiber freut’s 🙂

Hier waren wir jeden Tag essen: Quan Chay Dam

Bei dem familienbetriebenem Lokal zeigt man einfach auf das, was man haben will. Menü gibt es aber auch. Alles vegetarisch und zugleich vegan 🙂

Für beides zusammen nur rund 1,50€!!

Unser Verdauungsspaziergang führt uns zum Fluss. Eine alte, stark gebeugte Frau kommt uns mit einem voller Obst gefülltem Tragjoch entgegen. Sie spricht Carsten an. Zeigt auf seine Kamera und auf sich und lacht dabei herzlich. Carsten macht Fotos von seinem neuen Model und schon kommt die Rechnung. „One Dollar“ sagt die alte Frau und streckt ihre Hand aus. So läuft das also hier, sich als Fotomotiv anbieten und anschließend den Dollar einfordern. Carsten bietet ihr an, eine Ananas abzukaufen und sie freut sich sichtlich darüber. Sie reicht uns zum Dank ihre Hand und gibt Carsten zusätzlich noch einen Kuss auf seine Stirn. Wir sind beeindruckt von der Warmherzigkeit und Tapferkeit der gebeugten Frau. Wir ahnen was sie schon alles erlebt haben muss und wie schwer ihr Alltag ist.

Das nenn ich mal Größenunterschied 🙂

Ihr Tragjoch ist mit Obst gefüllt

Konnte leider nicht weiter zurückgehen, da hinter mir der Fluss war. Carsten kniet fürs Foto 🙂

Weiter geht es zum Marktplatz. Er kündigt sich uns schon mit lautem Stimmenwirrwarr von Weitem an. Da sitzen sie. Die vielen Marktfrauen, die hier ihre Waren wie Gemüse, Obst, Fleisch, Fisch, Eier, Kleider, Blumen, Körbe, Kräuter und vieles mehr auf dem Boden oder Ständen ausgebreitet haben. Sie tragen die vietnamesischen Kegelhüte „Non La“, die aus Bambus- und Palmenblättern bestehen. Die Dinger sind wirklich praktisch. Schützen vor Sonne wie auch vor Regen und dank einem Kinnriemen fliegen sie auch nicht weg. Wir stürzen uns in den Tumult und stellen fest: hier ist uns zu viel los. Da er ausserhalb des für den Verkehr gesperrten Gebietes liegt, sind nun auch wieder jede Menge einheimische, von den vielen Touristen genervte, Rollerfahrer wild hupend mittendrin. Das hat nicht mit gemütlich über den Markt bummeln zu tun. Allerdings können wir auch die Menschen hier gut verstehen, ist doch der überwiegende Teil der Touristen nur hier um zu schauen und Fotos zu machen. Dafür verstopfen sie und wir die Marktgassen und behindern den Verkauf der Waren. Einige Marktfrauen machen aus der Not eine Tugend und bieten sich auch als Fotomotiv an. Für einen Dollar, wie imer 🙂 Bei nicht annehmen des „Angebots“ kann die freundliche Stimmung schon mal schnell kippen. Uns ist es hier deutlich zu stressig und deshalb suchen wir das Weite.
Unser Fazit zu Hoi An ist ein wenig zwiegespalten. Einerseits ist die Altstadt voll schön restauriert und es macht einfach Spaß dort entlang zu bummeln. Am Flussufer zu schlendern und die Abendstimmung zu geniessen. Andererseits ist es wegen der hohen Mietpreise für die meisten Einheimischen nicht mehr möglich dort wohnen zu bleiben. Von den vielen Schneidereien gehören auch schon wieder mehrere einer Person und so findet in dem kommunistischen Land an diesem Ort der Kapitalismus reichlich Platz. Wer ein wenig abseits der Hauptstraßen bummelt, sieht auch die Kehrseiten. Armut, Dreck und Gestank. Menschen die am Straßenrand unter Planen leben sind selten, aber auch in Hoi An gibt es sie. Restaurants in denen vorwiegend Einheimische essen gehen sind in der Altstadt selten geworden, die meisten sind den hochpreisigen Restaurants mit Fusion-Küche gewichen. Dementsprechend ist die Stimmung uns Touristen gegenüber auch zwiegespalten und das sicher mit Recht. Wir bringen zwar reichlich Geld, nehmen ihnen aber auch ihren Lebensraum. Trotzdem werden wir in den meisten Fällen freundlich und zuvorkommend behandelt. In unserem Stammrestaurant und Homestay sind wir sehr herzlich aufgenommen worden, dafür wurden wir in einem kleinen Lebensmittelladen abseits des Trubels zur Kasse gebeten. Es war früher Abend, wir brauchten noch etwas zu trinken und von einem alten Mann am Eingang wurden wir gefragt, wo wir herkommen. Wir: „Germany“. Er: „Germany? Much money!“ Im Anschluss noch ein kurzer Satz zur Kassiererin. Beim Bezahlen bekamen wir dann auch den German-much-money-Zuschlag. Wir zahlten mehr als die Getränke in der Minibar des Homestay kosteten. Also alles so wie in jeder Touristenhochburg! 😉
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