Weltreise Tagebuch

#155 In 32 Stunden mit dem Shosholoza Zug nach Johannesburg

Carsten

03. – 04. Februar 2019

Unser Weg zu den Drakensbergen führt uns zuallererst zum Kapstädter Hauptbahnhof, denn anstatt nach Johannesburg zu fliegen oder den Bus zu nehmen, nehmen wir den Shosholoza Zug. Es sind ja nur 26 Stunden für rund 1400 Kilometer – oder dauert es doch länger? 😉

Nachdem wir unsere Rundtour über die Zedernberge, Teile der Garden Route und dem Kap der Guten Hoffnung beendet haben, geben wir unseren Mietwagen in Kapstadt problemlos zurück und machen uns mit Uber auf den Weg zum Hauptbahnhof. Für die Fahrt mit dem Shosholoza Meyl Zug sollten die Tickets möglichst früh im Voraus gekauft werden, denn die Plätze sind begrenzt und oftmals ausgebucht. Das haben wir natürlich beherzigt und haben im Vorfeld online ein Zwei-Personenabteil gebucht. Für nur 102,50€ bekommen wir ein Abteil mit zwei Betten inklusive Bettwäsche und Waschgelegenheit nur für uns. Duschen und Toiletten werden mit den anderen Reisenden geteilt und sind an jedem Wagonende. Das klingt doch alles super und ob wir das vorhandene Restaurantabteil brauchen wird sich noch zeigen, fürs erste haben wir ordentlich vorgekocht und sind zusätzlich mit Keksen und Chips eingedeckt – verhungern werden wir auf jeden Fall nicht 🙂

Am Bahnhof angekommen, holt Nadine die reservierten Tickets am Shosholoza Schalter ab, während ich auf unser Reisegepäck aufpasse. Netterweise spricht mich gleich ein Bahnmitarbeiter an und fragt mich nach meinem Reiseziel und ob ich mit dem Shosholoza fahre. Ja, das tun wir, der Shosholoza ist unser Zug. „Dann stellen Sie sich bitte auf eine 3 – 12 stündige Verspätung ein. Vielen Dank für Ihr Verständnis.“ Ungläubig und sprachlos schaue ich ihn an, gleich darauf ist er wieder weg und Nadine kommt mit den Tickets zurück. Wir tauschen unsere Infos aus.

Nadine: „Unser Wagon und Abteil stehen nicht auf den Tickets, sondern auf irgendeinem Aushang.“
Ich: „Unser Zug hat voraussichtlich 3 – 12 Stunden Verspätung.“
Wir schauen uns mit großen Augen an!

Fängt ja gut an und wir sind noch nicht mal eingestiegen 😉 Wir fragen nochmal nach und erfahren dank sehr unterschiedlicher Aussprache 😉 der englischen Sprache keine weiteren Einzelheiten oder Gründe. Nutz aber eh alles nix, wir werden es früher oder später schon erfahren. Morgen um 12.00 Uhr Mittags sollten wir eigentlich in Johannesburg ankommen und dann wollen wir mit einem neuen schon vorreservierten Mietwagen noch die 300 Kilometer bis Harrismith zurücklegen, damit wir am nächsten Tag ausgeruht in den Drakenbergen wandern können. So zumindest ist unser Plan.

Aber jetzt wird das echt eng mit der Mietwagenübernahme und unserer Weiterreise zur nächsten Unterkunft. Erstens schliesst das Mietwagenbüro schon fünf Stunden nach der planmäßigen Ankunft und zweitens wird von der Überlandfahrt im Dunkeln wegen der vielen LKWs gewarnt.

Wir schauen jetzt erstmal mal nach dem Aushang mit der Abteilzuteilung. Den finden wir erst versteckt und unscheinbar in DinA 4 Größe an einer Säule als geübte Einheimische nach ihrem eigenen Abteil schauen. Nun kennen wir wenigstens unser Abteil und warten weiter. So wie alle anderen auch, schauen wir immer wieder auf die Uhr und in Richtung Schaffner. Wir wären eigentlich schon abgefahren, aber es werden immer noch weitere Möbel und Kisten verladen. Es werden tatsächlich Umzüge mit dem Zug gemacht, echt abgefahren – also wenn er fährt 😉 Ich frage mal den Schaffner, wie es ausschaut. Er kontrolliert unsere Tickets, weisst auf den Aushang für die Abteile hin und meint es dauere nicht mehr lange. So warten wir weiter und bereuen gerade, nicht doch den Bus genommen zu haben.

Dann geht alles ganz schnell! Alle dürfen einsteigen und wir beziehen schon nach ein paar Minuten unser „Doppelzimmer“. Echt schön und sauber sieht es hier aus. Der Platz reicht nach dem Verräumen unserer großen Rucksäcke locker aus und wir machen es uns gemütlich. Ist doch besser als Busfahren 🙂 Mit einer dreiviertel Stunde Verspätung rollen wir langsam los. Die Gleise führen an den Townships Kapstadts vorbei und wir bekommen weitere Eindrücke von der Armut der hier wohnenden Menschen. Leute Leute, dass es hier in den letzten Jahrzehnten noch keinen Bürgerkrieg gab grenzt an ein Wunder. Zwar gibt es mittlerweile oftmals Strom und auch Brauchwasser (also Trinkwasser kann man es echt nicht nennen), aber die Dichte der Hütten ist unfassbar. Mit der Dichte ist nicht das Dach gemeint, diese aneinandergereihten Blechhütten sind alles andere als wetterfest. Abseits des Zentrums gibt es für die meisten Bewohner statt Arbeit und Einkommen nun auch Strom und Sat-TV. Möge die Zukunft für die Menschen hier besseres bereit halten.

Unterwegs im Shosholoza Zug

Unser eigenes Abteil mit den schon umgeklappten Sitzen für die Nacht 🙂 Unter dem Tisch befindet sich sogar ein Waschbecken!

Während Nadine wieder an Rechner arbeitet (jahaaa funktionierende Steckdosen gibt es nämlich auch, sogar USB Anschlüsse!), lege ich mich eine Runde aufs Ohr und lass mich in den Schlaf ruckeln. Eigentlich wollten wir die Aussicht geniessen und uns im Vorbeifahren noch mehr von Südafrika anschauen, aber der Blick durch das rückwärts „fahrende“ Fenster ist doch anstrengend und landschaftlich bietet die Zugfahrt teilweise recht lange monotone Abschnitte, zumindest wenn du vorher schon soviel schöneres gesehen hast 😉 So widmen wir uns nach einigen Stunden wieder der weiteren Planung für unsere Verspätung. Nach diversen Telefongesprächen wird die Lösung im Notfall eine Übernachtung in Johannesburg sein und unsere Weiterreise um einen Tag verschoben werden müssen. Wie ärgerlich, ist unser Weiterflug nach Tansania schon gebucht und wir verlieren dadurch wertvolle Wanderzeit in den Drakensbergen. Wir geben die Hoffnung nicht auf und bevor wir etwas neues buchen, warten wir erstmal ab und bleiben mit dem Schaffner im Gespräch. Von ihm erfahren wir auch den Grund der voraussichtlichen Verspätung. Während der Sanierungsarbeiten an der Strecke wurden jede Menge Kabel geklaut, die die Signalanlagen miteinander verbinden sollen. Zur Zeit wird an Lösungen z.B. per Funkgerät gearbeitet, aber genaueres folgt später. Da wir nicht die einzigen Fahrgäste mit Zeitplan sind, versucht der Schaffner alle auf dem Laufenden zu halten. Ein echt guter Service. Na dann essen wir eben erstmal unser leckeres vorgekochtes Nudelgericht und machen es uns weiterhin bequem.

Am frühen Abend kommt ein weiterer Schaffner und macht uns die Betten mit weissen Laken, Decken und Kopfkissen – welch ein Luxus. Gegen ein vermutlich kleines „Trinkgeld“ hätten wir auch in ein leeres Vierer-Abteil wechseln können, aber ganz ehrlich, das „Zweier“ reicht uns völlig aus. So genießen wir die Zugfahrt und lassen uns dem Sonnenuntergang entgegen schaukeln 🙂

Dem Sonnenuntergang entgegen 🙂

Abendglühen

Die Nacht ist lang und immer wieder werden wir durch das Anhalten und Losfahren des Zuges geweckt. Am nächsten Morgen beobachtet Nadine schon den Sonnenaufgang aus dem Bett während es in meinem Hochbett noch dunkel ist. Fürs gemütliche Frühstücken räumen wir schon mal alle Schlafdecken beiseite und anschliessend sind wir gespannt wieviel Verspätung der Zug bis jetzt hat. Laut Schaffner sind es aktuell drei bis vier Stunden und wir hoffen weiterhin auf ein ausreichend pünktliches Ankommen. Im Laufe des Vormittags werden die Wartezeiten an Baustellen immer länger und irgendwie geht es überhaupt nicht mehr voran. GoogleMaps bestätigt leider unser Gefühl. Dafür läuft der Schaffner immer hektischer durch den Zug und teilt uns mittags mit, dass wir wohl demnächst in Busse umsteigen werden, um heute noch in Johannesburg anzukommen. Vielleicht sogar noch bis 17.00 Uhr. Wir telefonieren wieder mit der Autovermietung und die bietet uns an bei Bedarf kurzfristig den Abholungsort vom Bahnhof zum Flughafen zu verschieben, denn dort haben sie 24 Stunden geöffnet. Okay, das klingt gut und wir warten weiter.

Sonnenaufgang

Noch weit entfernt von Johannesburg…

Wenige Kilometer, aber Stunden später steigen wir um 14.30 Uhr in bereitstehende Busse um. Die Reisenden aus den Schlafwagenabteilen steigen in einen klimatisierten älteren Luxus-Reisebus und alle anderen in für Afrika typische Überlandbusse mit weit geöffneten Fenstern. Was haben wir für ein Glück und laut GoogleMaps könnten wir es sogar noch zur Autovermietung am Bahnhof schaffen, dann bräuchten wir nicht noch 30 Kilometer zum Flughafen fahren. Der Bus hält echt oft an und nimmt zu unserem Leidwesen auch nicht die schnellste Route. Der Wettlauf mit der Uhr geht in die nächste Runde und wir verlieren Minute um Minute. Letztlich kommen wir erst um 17.45 Uhr am Bahnhof an und die Autovermietung hat seit 17.00 Uhr geschlossen. Dass von uns herausgesuchte Appartement am Bahnhof für unsere Notfallübernachtung ist nun auch schon ausgebucht und alle anderen entsprechen überhaupt nicht unserem Budget. Na toll! Also doch noch die lange Abendveranstaltung. Wir müssen zum Flughafen und das dauert nicht nur, das Taxi kostet auch einiges an Geld, wenn da nicht die kundenorientierte Hilfsbereitschaft des Shosholoza Personals wäre. Auf Nachfragen bekommen wir einen kostenlosen Shuttle direkt zum Flughafen und eine weitere Entschuldigung für die Verspätung. Was ein super Service 🙂

Der Himmel verdunkelt sich ebenso plötzlich wie kräftig und im strömenden Regen geht es zur Rush Hour mit dem Kleinbus durch Johannesburg zum Flughafen und wir sind trotz allem froh heute doch noch weiter zu kommen. So fahren wir also nach unnötigen Verhandlungen, trotz festem Mietvertrag, bei der „Servicestation“ des Autovermieters um 19.15 Uhr los. Achtung Spoiler! Die ganze „Qualität“ des Vermieters zeigt sich dann noch bei der Rückgabe, doch dazu mehr im übernächsten Beitrag 😉 Wir machen uns also im „verbotenen“ Dunkeln auf den 300 Kilometer langen Weg nach Harrismith, wo wir schon vorab eine neue Airbnb Unterkunft gebucht hatten. Der Wagen fährt sich gut, GoogleMaps steuert uns durch die ganzen Autobahnkreuze und Abfahrten und schon bald sind wir auf der berüchtigten Nationalstraße N3.

Der mautpflichtige Teil ist sehr gut ausgebaut und die vielen breiten LKWs stören auf der breiten Fahrspur nur wenig. Das ändert sich allerdings immer wieder und vor allem für die meisten Kilometer. Die Fahrbahnen sind dann sehr schmal, die LKWs sind ähnlich breit, sehr lang und teilweise unbeleuchtet. Die unbeleuchteten LKWs sind dann auch die, die mit 40km/h quasi parken. Dafür ist das Tempo einzelner neuerer LKWs sehr hoch und der Gegenverkehr nicht abgetrennt. Obwohl genügend, also vier Fahrspuren, vorhanden sind, passen nicht vier Fahrzeuge nebeneinander und deshalb heisst es gut aufpassen und vor allem beim Überholen die Fahrzeuge ohne Beleuchtung ebenso im Blick haben, wie den Gegenverkehr, der regelmäßig gefährlich nahe kommt. Jetzt verstehen wir auch die Warnungen vor dieser Straße und den LKWs. Während einer kurzen Fahrpause kaufe ich noch ein paar Chips und eine Cola ein – ich brauche Nervennahrung 😉 Unsere heutigen Vermieter sind voll lieb und flexibel. Obwohl wir erst gegen 22.30 Uhr bei ihnen ankommen, heissen sie uns herzlich willkommen. Ein etwas nervenaufreibender Tag geht letztlich erfolgreich zu Ende und wir fallen müde und glücklich ins Bett 🙂

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