Weltreise Tagebuch

#123 Ansturm auf die Hohe Tatra

Nadine

12. Oktober 2018

Hatten wir gestern noch paradiesische Einsamkeit, so treffen wir heute hunderte von wanderslustigen Slowaken. Wir besuchen das kleinste Hochgebirge der Welt – die Hohe Tatra.

Schon seit zwei Tagen erhaschen wir immer wieder einen Blick auf die Hohe Tatra. Heute ist es soweit. Wir wollen eine Wandertour durch dieses Teilgebirge der Karpaten unternehmen. Obwohl sie kein eigenes Gebirge ist, so wird sie gerne als das „kleinste Hochgebirge der Welt“ bezeichnet. Kein Wunder, der Hauptkamm der Hohen Tatra ist gerade einmal 27km lang. Trotzdem gibt es hier 24 Gipfel, die die 2500m Marke überschreiten und hunderte die die 2000m Marke knacken. Zwei Drittel der Hohen Tatra gehört zur Slowakei, ein Drittel zu Polen. In beiden Ländern ist das Gebirge Teil von Nationalparks und steht sogar als Biosphärenreservat in der UNESCO Liste.

Die Hohe Tatra der Slowakei

Auf Google Maps und Outdooractive haben wir versucht eine nette Wandertour zu finden. Viele der Touren sind allerdings Etappen von Mehrtagestouren – also keine Rundtouren. Und über 1000 Höhenmeter durch den Wald zu laufen um dann endlich in alpines Geländer zu kommen, wollen wir auch eher ungern. Auch wenn Carstens Rücken schon viel mitmacht – insgesamt 2000 Höhenmeter und mehr will er auch noch nicht machen. Was bleibt also übrig? Vielleicht gibt es ja irgendwo eine Seilbahn, mit der man abkürzen kann? Die Recherche zeigt: ja, es gibt welche! Die eine liegt in einem Skigebiet und laut Google Maps Rezensionen kann man nicht wirklich viel wandern. Zumindest nicht im alpinen Bereich. Dafür kann man von einer Zwischenstation mit einer weiteren Bergbahn so richtig hochfahren – sprich auf über 2000m. Leider gibt es da aber auch nichts weiter als eine Aussichtsplattform. Na gut, dann weiter. Die nächste Seilbahn, die wir finden, klingt vielversprechender. Nicht zu teuer, macht früh auf und führt auf eine respektable Höhe. Hier scheint es mehrere Wanderrouten zu geben und auch Gipfelmöglichkeiten sind vorhanden. Cool 🙂 Die nehmen wir.

Am nächsten Morgen fahren wir also zu dem kleinen Kurort Štrbské Pleso, wo auch die Seilbahn steht. Schon auf dem Weg zum Parkplatz laufen Dutzende Wanderer, ja ganze Gruppen auf den Gehwegen und am Straßenrand. Moment mal, die wollen doch nicht alle hochfahren? Doch, wollen sie. Am Parkplatz angekommen, lesen wir die Stundenpreise und kriegen einen Schlag. Wir sind es bisher gewohnt, dass die Parkplätze von Seilbahnen normalerweise nichts kosten, wenn man selbige nutzt. Unter anderen Umstände hätten wir es vielleicht auch doch bezahlt, aber bei den Menschentrauben, bezweifeln wir, dass sie sich in den Bergen verlaufen. Und die Seilbahn hat noch nicht mal offen! Wer weiß wieviele noch kommen. Es spricht also einiges gegen Plan A.

Gut, dann Plan B. In der Nähe gibt es einen weiteren Parkplatz. Von da abgehend führt eine geteerte, aber für die Öffentlichkeit gesperrte Straße bis zu einem Bergsee und einer modernen Berghütte. Wir versprechen uns von da aus einen Gipfel besteigen zu können. Gesagt, geplant. Und wieder werden wir ordentlich überrascht. Zum einen von der Größe des Parkplatzes (eigentlich nur ein langer Seitenstreifen zu beiden Seiten der Straße) und zum anderen, wie voll er bereits ist! Und schon wieder jede Menge buntgekleidete Wandersleute. Ja, ist denn heut’ ein Feiertag?? Es ist doch mitten in der Woche – haben denn alle frei? Ein Feiertag ist zwar nicht, aber die Slowaken scheinen begeisterte Bergfans zu sein 😉 Sechs Euro soll der Parkplatz hier tagsüber kosten. Auch nicht gerade wenig. Aber es gibt keinen Plan C und wir sind ja zum Wandern hergefahren. Also gut. Während ein Wanderer nach dem anderen an unserem Auto vorbeiläuft, futtern wir noch schnell ein Müsli und machen uns wanderfertig.

Baumriese

Kahler Blaubeerstrauch

Einmal tief ducken, bitte 😉

Irgendwo im Wald auf einem Schleichweg

Parallel zur Straße, die zum Bergsee führt, verläuft ein Waldpfad an einem Bach entlang. Während alle anderen die Straße benutzen, biegen wir hier ab und freuen uns, dass wir nun doch alleine unterwegs sind. Aber zu früh gefreut. Nach wenigen Minuten wird der Boden immer sumpfiger und mit unseren Halbschuhen kommen wir da nicht weiter. Also doch wieder umdrehen. Ein kleiner unscheinbarer und kaum sichtbarer Pfad lenkt unsere Aufmerksamkeit auf sich. Kein Hinweisschild. Aber er führt bergauf und weg vom Feuchtgebiet 😉 Wir haben ja nichts zu verlieren, also folgen wir ihm. Wahrscheinlich hört er hinter dem nächsten Anstieg eh wieder auf. Tut er aber nicht. Stattdessen geht es immer höher und tiefer in den Wald hinein. Wir verfolgen unseren GPS Punkt auf dem Handy und sind gespannt ob wir wieder auf einem der offiziellen Wege landen. Bisher finden wir es einfach nur schön den Pfad für uns zu haben. Und auch wenn es „nur“ ein Wald und kein alpiner Weg ist, so gefällt uns dieser „nur Wald“-Weg richtig gut. So folgen wir den Trittspuren – es geht weiter steil bergauf – bis wir nach über einer halben Stunde an einer Lichtung ankommen und im tiefen braunen Gras stehen. Endet der Schleichweg hier? Von weitem sehen wir die blaue Jacke eines Mannes durch die Bäume blitzen. Und kurz darauf sehen wir noch eine rote Jacke. Und dann ist klar: da vorne scheint ein Wanderweg zu sein! Und so ist es auch. Nach nur wenigen Schritten stehen wir wieder auf einem ausgebauten, recht breiten Weg und sind gefühlt mitten in einer Wanderhorde gelandet. Wir lassen uns mittreiben und werden gefühlt permanent überholt. Die haben es ja ganz schön eilig 😀 Wir fühlen uns ein bisschen wie auf der bel(i)ebten Alpenüberquerungsroute E5 von Oberstdorf nach Meran 😛

Von „Weg“ kann hier keine Rede mehr sein – aber wir finden wieder raus 🙂

Erster Blick auf das Gebirge

Die Bäume geben den Blick auf die Hohe Tatra frei

Schön angelegter Weg – da sind wir nicht die einzigen, die unterwegs sind

Nicht weit vom Bergsee entfernt, öffnen sich schon die ersten Blicke auf die umgebende Bergwelt. Nicht nur wir bleiben an den Aussichtsspots stehen um ein Foto zu machen 🙂 Als wir nach ca. 2h an dem Bergsee ankommen, sind wir verblüfft wie touristisch es hier ist. Es gibt neben der Berghütte, ein Restaurant, einen Souvenirstand und einen Stand mit erfrischenden Getränken. Eine einsame Berghütte sieht definitiv anders aus. Der weitere Aufstieg zum überlegten Gipfel ist gut einsehbar und wir sehen wie ein bunter Ameisenstraße den Berg hochstapft. Oha – wie konnten wir nur glauben, dass die Leute nur bis zum See laufen und dann nicht weiter? 😛 Scheinbar täuschen wir uns heute öfter mal! Nach einer sättigenden Brotzeit, beschließen wir den Gipfel auszulassen und nur noch den See zu umrunden.

Der auf 1495m Höhe gelegene See „Popradské Pleso“ – auf Google Maps wird er übersetzt als Poppen See 😛

Grüne Algen“haarpracht“

Bilderbuchwetter

Für den Rückweg entscheiden wir uns den asphaltierten Weg zu nehmen. Der ist zwar nicht so schön, geht aber deutlich schneller und wir kommen sicher wieder da raus, wo wir angefangen haben 😉
So kommt es eben heute anders als geplant und auch wenn wir keinen Eintrag ins Gipfelbuch machen können, so ist es dennoch ein schöner Ausflug gewesen. Wir hatten Bilderbuchwetter, einen spannenden Schleichweg durch den Wald und konnten ein tolles Bergpanorama vom See aus genießen. 🙂

Popradské Pleso, Hohe Tatra

Die über 2000m hohen Gipfel spiegeln sich auf dem kalten See

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