Weltreise Tagebuch

#146 Blutkuppe – ein Kleinod der Namibwüste

Nadine

07. Januar 2019

Die Blutkuppe ist ein Granitberg inmitten der Namibwüste und soll eine echte Perle sein. Wir lesen von Einsamkeit, einer rauh-bizarren Felsenwelt und der namensgebenden Farbe des Berges. Für viele Abenteurer unter den Campern soll hier ein echtes Highlight liegen und das wollen wir natürlich nicht auslassen. Werden unsere Erwartungen erfüllt?

Wir wachen am Morgen mit einem ungewohnten Gefühl in unserem Dachzelt auf. Kalte Füße! Und auch sonst ist irgendwie alles klamm. Als wir aus dem Zeltfenster schauen wird uns auch schnell klar wieso. Nebel! In der Wüste! Wir sind erst mal völlig perplex 😛 Mit so etwas rechnet man nun wirklich nicht in so einer knochentrockenen Gegend. Später lesen wir, dass der Nebel vom Atlantik kommt. Und da vor der Küste Namibias der kalte Benguela Strom aus der Antarktis fließt, wird die Luft abgekühlt und kann weniger Feuchtigkeit aufnehmen. Das überschüssige Wasser kondensiert zu Nebel und dank dem Wind wird dieser auch bis in die Namibwüste getragen. Nun ist uns alles klar 😀

Rote Dünen im Nebel

Der Nebel entsteht am kalten Atlantik und wird durch den Wind bis in die Wüste getragen

Wir verzichten also auf das Frühstück (denn es ist wirklich kalt!), setzen uns ins Auto und machen – ohne Witz! – die Heizung an. Heizung in Namibia im Hochsommer! Völlig verrückt 😛 Hätte uns das einer vorher erzählt, wären wir in schallendes Gelächter ausgebrochen. Auf jeden Fall erklärt sich uns nun auch warum wir gerade wieder durch einen Wüstenabschnitt fahren, der von einem Teppich aus gelbem Gras bedeckt ist. Bei dem Bodennebel kein Wunder 🙂

Noch bevor die Sonne durch den Nebel durchbricht dürfen wir eine riesige Springbock Herde beobachten, die wie auf der Flucht in hohem Tempo durch die Graslandschaft galoppiert und dabei zum Teil riesige Sprünge macht. Das sieht richtig komisch aus, denn die Sprünge gehen nicht nur in die Horizontale sondern auch in die Vertikale. Springböcke können ja unglaubliche 90km/h schnell werden und bis zu 10m weit springen. Und das obwohl diese Antilopenart eher zu den kleineren Tieren gehört! Einen Fressfeind haben wir übrigens nicht gesehen. Allerdings sollen Springböcke wohl ab und an aus purer Lebensfreude durch die Luft springen. Freudensprünge eben 🙂

Wüstenzebras

Springböcke beim Freudenspringen 😀

Ein Strauß auf einsamen Pfaden

Mit Giraffen hatten wir hier nicht gerechnet!

Neben Springböcken haben wir auch Giraffen, Strauße und Zebras gesehen. Wir sind ganz überwältigt, dass wir hier überhaupt auf so viele Tiere treffen. Die Wüstenlandschaft sieht einfach zu lebensfreindlich aus. Und trotzdem schaffen es diese Tiere in der unwirtlichen Gegen zu überleben. Ihr Vorteil hier: es gibt keine großen Fressfeinde. Raubkatzen können nicht in der Wüste überleben. Mit der Trockenheit kommen nur die angepassten, hauptsächlich pflanzenfressenden Tiere zurecht. Sie sind in der Lage ihren Flüssigkeitshaushalt über Blätter, Knollen u.ä. aufzufüllen.

Unsere Fahrt durch die Wüste geht weiter und wir sehen irgendwann in der Ferne einen Hügel auf den ein hoher Turm gebaut wurde. Von da oben muss der Blick bestimmt toll sein, denken wir uns. Und wie es der Zufall will, entdecken wir einen abzweigenden Pfad, der uns in Richtung Berg bringt. Zu unserer Überraschung wird aus dem Pfad sogar eine betonierte Straße, die sich in ein paar Kurven den Berg hinauf schlängelt. Oben angekommen endet die Straße abrupt vor einem verschlossenen Tor. Wenden wird hier wirklich eng. Aber egal! Erst mal aussteigen und die restlichen Höhenmeter zu Fuß rauf. Am Gipfel angekommen, beglückwünschen wir uns direkt dazu den Umweg hierher gemacht zu haben. Was für ein genialer Ausblick!

Panorama über die Namibwüste

Blick vom Gipfel

Sendeturm

Null Verkehrsaufkommen ;-P

Es war ein mal….

Nach gefühlt hundert geknipsten Panoramafotos steigen wir ab, Carsten setzt sich wieder ins Auto und ich stehe als Wendehilfe draussen bereit. Plötzlich ruft jemand von hinten laut „hello!“ Ich drehe mich um und sehe einen Namibier in zerrissener Kleidung von der anderen Seite des Zauns auf uns zu laufen. Im ersten Moment denke ich noch „Ach verdammt, der will uns bestimmt anpampen, weil es doch nicht erlaubt ist hier hochzufahren“, aber dann verstehe ich, dass er uns das Eingangstor aufmachen will, damit wir dahinter besser wenden können. Wir kommen mit ihm ins Gespräch und erfahren, dass er den Sende- und Kommunikationsturm bewacht und hier oben auch lebt. Komplett allein. Dafür könne er jeden Tag den Sonnenauf- und Sonnenuntergang sehen. Und hätte eine geniale Aussicht. Nur wenn er wieder Lebensmittel bräuchte, müsse er in die nächste Stadt trampen. Ein Tagesausflug. Vorallem weil hier auch so oft Autos vorbeikommen….Einfach vollkommen unvorstellbar für uns. Wir bedanken uns bei ihm und hoffen wir konnten seinen heutigen Tag mit dem netten Gespräch bereichern.

Auf dem Weg zu unserem Tagesziel kommen wir an zwei Erdhörnchen vorbei, die sich von uns nicht aus der Ruhe bringen lassen und sich auch nicht vor unserer Kamera scheuen 🙂 Diese süßen Tierchen sind echt lustige Gesellen und wir schauen ihnen eine Weile bei ihrer Suche nach etwas zu Futtern zu.

Zwei süße Erdhörnchen (nicht zu Verwechseln mit Erdmännchen). Ihren langen Schwanz nutzen sie oft als Schirm um sich vor der Sonne zu schützen.

Kann man denn hier nicht mal in Ruhe…? Also wirklich…

Am frühen Nachmittag nähern wir uns einem unscheinbar wirkenden, flachen Steinhügel. Da wir laut Navi fast da sind, kann das vor uns eigentlich nur die Blutkuppe sein. Wir sind ein bisschen enttäuscht. Bei dem Namen hatten wir uns den Berg irgendwie dramatischer vorgestellt ;-D Vorallem aber rötlicher. Der Berg vor uns ist allerdings fast so gelb wie der Wüstenboden und hebt sich kaum ab. Wir vermuten, dass der Berg wohl eher in den Morgen- und Abendstunden zum Erglühen kommt und daher seinen Namen hat (was auch genau so ist). Als wir näher kommen, sehen wir aber erst das ganze Ausmaß des Berges und das er doch viel viel höher ist als wir erst dachten. In den unendlichen Weiten der Wüste verliert man wohl den Größenbezug 😀

Von weitem unscheinbar: die Blutkuppe

Neugieriger Vogel

Einsamster Campingplatz unserer Namibia Reise

Die Straße führt bis an die Ausläufer der Blutkuppe heran und umrundet den Berg fast komplett. Hier wollen wir irgendwo unser Nachtlager aufstellen, denn rund um die Blutkuppe gibt es großzügig verteilt Stellplätze. Nicht jeder Platz hat seine eigene Toilette, aber es gibt immer wieder verstreut stehende offene Toilettenhäuschen mit Plumpsklos. Ungefähr 15 Stellplätze finden wir und keiner ist bewohnt. Wir suchen uns den schönsten raus, wobei ehrlicherweise alle wirklich schön sind. Ich meine hallooo bei der Kulisse!? Zwar sind die Toiletten jetzt gute 10min zu Fuß entfernt, aber das kleine Geschäft geht ja auch hinterm Stein 😛
Schatten gibt es – wie so oft in der Wüste – keinen. Also stellen wir schnell unser Dachzelt auf und hocken uns unter den nun entstandenen Schatten 🙂 Püntklich zum Essen äugen schon die ersten Vögel von den Ästen und hoffen auf ein paar Essensreste 🙂 Abgesehen von unseren fliegenden Freunden sind wir gefühlt die einzigen Lebewesen hier. Nagut, eine Agame sehen wir noch über den Fels huschen. Aber ansonsten sehen wir niemanden. Wir haben hier wirklich den einsamsten Stellplatz auf unserer gesamten Namibia Reise gefunden. Selbst im größeren Umkreis gibt es keine Siedlung. Ein großartiges Gefühl.

In den frühen Abendstunden „trauen“ wir uns wieder in die Sonne und suchen uns einen Weg zum Gipfel des Berges. Wir wollen von da oben den Sonnenuntergang genießen und hoffen natürlich auch auf eine tolle Aussicht. Der Granitberg ist übrigens immerhin über 850m hoch, wobei wir selbst nicht auf Meeresspiegelhöhe starten. Geschätzt sind es wohl nur 250 Höhenmeter Differenz. Wenn überhaupt. Bis zum Gipfel brauchen wir nur eine halbe Stunde. Mit jedem Schritt nach oben knirscht der poröse Berg unter uns wie wenn man auf gefrorenes Eis tritt. Die Blutkuppe fühlt sich an wie eine riesige abblätternde Zwiebel, mit vielen einzelnen Schichten. Alles hält irgendwie noch zusammen, aber man fühlt regelrecht wie dünnhäutig und zerbrechlich der Berg ist. Davon zeugen auch die vielen Löcher, Wellen und angefressenen Ecken. Eine bizarre Welt. Und absolut hinreissend schön 🙂

Die Blutkuppe färbt sich ein

Blick von der Blutkuppe auf die Wüste

Köcherbaum

Aufstieg auf die Blutkuppe

Das Abendlicht taucht die Steine in Rot ein

Die Blutkuppe macht nun ihrem Namen alle Ehre und wechselt ihr sandfarbenes Kleid zu einem orange-rotem Outfit. Der Sonnenuntergang taucht die Namib unter uns in ein sanftes Pastell-Lila und lässt uns breit grinsend am Gipfel stehend zurück. Dass die Wüste so viele Farben und Gesichter haben kann, begeistert uns schwer!

Beim Abstieg versuchen wir daran zu denken unsere Tritte genau zu setzen um nicht doch auf eine der knirschend-knackenden Platten zu treten, die uns die Füße unterm Körper wegzieht. Wir sind mitten in der Wüste aber denken mit jedem Schritt an Schnee und Eis. Auf so einem Berg waren wir vorher auch noch nie unterwegs 😛 Zum Glück bricht nichts zusammen und wir kommen wieder gut unten an.

Die letzten Strahlen

Sonnenuntergang von der Blutkuppe

Das letzte Licht verschwindet schnell und wir kriechen wieder ins Zelt. Morgen werden wir den Berg noch von der anderen Seite besteigen und uns die Umgebung anschauen. Es macht einfach unglaublich Spaß auf Bergen herumzukraxeln, sich selbst Wege zu suchen und einfach frei auf Entdeckung gehen zu können. Wir sind ein bisschen verliebt in diese Wüste und können unser Glück kaum fassen hier sein zu dürfen 🙂 Morgen ist unser letzter Tag mit dem Allradwagen und dem Camperleben und wir werden es noch einmal in vollen Zügen genießen!

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