Weltreise Tagebuch

#10 Nadines Horrortrip

Carsten

20. Dezember 2017

Eine Seefahrt, die ist lustig. Eine Seefahrt, die ist schön? Nein, diese war es definitiv nicht. Es geht um viele gefüllte Tüten und knöchelhohes Wasser.

Eines vorab, uns geht es wieder gut und wir sind wohl auf.
Bisher packten wir unsere Rucksäcke zum größten Teil schon am Abend vor der Weiterreise. Nicht diesmal. Unser Speedboat direkt nach Koh Chang soll ja erst um 11.00 Uhr gehen. Wieder ist es ein ungewöhnlich kalter Morgen und so um 8.10 Uhr, nachdem schon einiges verräumt ist, denken wir ans Frühstücken. Und siehe da, unser mega freundlicher Vermieter steht schon vor unserem Bungalow. Dem wünsche ich doch mal einen schönen Morgen, ohne zu wissen was noch kommen wird. Er meinte, die Fährgesellschaft habe angerufen und das Speedboat könne wegen zu hoher Wellen nicht fahren, aber er habe noch eine Alternative für uns. 8.30 Uhr Transfer zum Hafen, dann Slowboat nach Trat 1,5 Stunden, dann Hafenwechsel mit dem Bus und nächste Fähre weiter in einer Stunde nach Koh Chang. Ups, na dann mal in die Puschen kommen. Während wir in Windeseile unsere Sachen einpacken und auf die Schnelle noch etwas frühstücken, ändern und organisieren unsere Herbergseltern unsere geränderte Überfahrt. Die sind echt sooo lieb, die ganzen Tage schon!
Wir sind auch nicht die einzigen, die es trifft, auch weitere Gäste werden kalt erwischt. Wir kommen pünktlich am Hafen an und bekommen im Katamaran einen guten Sitzplatz unter Deck, Mitte-Mitte.

Die Fahnen flattern

Es ist stürmisch, selbst an Land

Irgend wie hatten wir schon in der Nacht heftigen Wind bemerkt, es war laut und die Fischer waren mit ihren Booten nicht so aktiv. Unser Boot, für 200 Personen ausgelegt war nicht ausgebucht, aber sehr gut besucht. Nadine ist gut vorbereitet, Reisetabletten und Tüte für den Notfall. Schon das Ablegen ist vom Wellengang beeinflusst und auf dem offenen Meer geht es dann richtig los, leider. Nadine nimmt ihre Reisetablette.
Hohe Wellen nötigen den Kapitän immer wieder die Geschwindigkeit zu drosseln und trotzdem knallen wir in so manche Welle hinein. Er macht einen guten Job, doch die Ausläufer des Sturms über Vietnam (wie wir später herausfanden) machen nicht nur dem Kapitän zu schaffen. Auch uns Passagieren ist nicht mehr ganz wohl zu Mute. Die Wellen werden immer höher und manches mal kommen sie auch schräg, so dass wir teilweise vom Bootssessel abheben und uns gut festhalten müssen.

Um uns herum werden Tüten weitergereicht und einer nach dem anderen muss sie auch benutzen. Es verbreitet sich der Geruch von Erbrochenem und das dazugehörige Würgen klingt beinahe unmenschlich. Wir schlagen uns wacker. Hand in Hand droht Nadines Kreislauf zusammen zu brechen, die Hände krampfen und sind ganz taub. Ihre Augen seit dem Ablegen zusammengekniffen. Mir gelingt es sie etwas zu beruhigen. Auch mir geht es nicht mehr ganz so blendend. Wellengang macht mir nichts aus, das Beiwerk von kotzenden Menschen in diesem Umfang sehr wohl. Plötzlich sind die Wellen so hoch, dass unser Bug voll einsticht. Dies geschieht mehrfach. Durch lautes Geschrei werden wir darauf aufmerksam, dass Wasser durch die undichten Bugtüren kommt und unser Deck langsam geflutet wird. Wir nehmen schnell unsere Tagesrucksäcke hoch bevor das Wasser knöchelhoch steht. Unsere beiden großen Rucksäcke rutschen im Wasser durch die Gegend, wie auch das Gepäck anderer und leider schwimmen auch die zugeknoteten Kotzbeutel zwischen den Passagieren hin und her. Schwimmende gefüllte Kotzbeutel, der Moment, wo auch ich lieber eine von den Reisetabletten nehme.

„Die ersten greifen zu den Schwimmwesten und die meisten zu den Tüten.“

Unsere Tagesrucksäcke mit der ganzen Elektronik haben wir nun auf unseren Schößen, bei unseren beiden anderen Rucksäcken können wir nur zuschauen und hoffen, dass die Tüten im Inneren dichthalten. Mittlerweile geht es jedem Zweiten echt schlecht, auch unser Nachbar an Nadines Seite macht seine Tüte kräftig voll. Er leidet sehr und man sieht ihm seine Angst an.

Leider muss nun auch Nadine zur Tüte greifen, dank der Tablette um ein vielfaches reduzierter, welch ein Glück im Unglück. Anschließend geht es ihr wieder besser. Viele Menschen, vor allem die, die keine Tüte brauchen haben Angst und greifen zu den Schwimmwesten, der Rest würgt um sein Leben. Ich hatte schon wildere Bootsfahrten erlebt und bin mir sicher, dass wir nicht kentern werden, das beruhigt nicht nur Nadine, sondern auch mich 😉

Dann nach einer gefühlt unendlichen Stunde wird die See ruhiger, wir nähern uns Koh Mak und nach einer weiteren halben Stunden wird angelegt. Der Kapitän macht einen ungeplanten Zwischenstopp auf Koh Mak, bis Trat würde es bei dem Seegang noch einmal 3-4 Stunden dauern. Wir entscheiden uns für „hier“ bleiben und das Wetter aussitzen. Das Anlegen dauert auf Grund der immensen Strömung fast 15 Minuten und ich telefoniere in der Zeit trotz Lärm an Bord mit Naem vom Talay Time Resort vorheriger Woche, um bei ihr spontan eine Übernachtung zu buchen. Wir sollen über Agoda buchen, sie ist wegen ihres kranken Kindes nicht im Resort, regelt aber alles für uns, nur Strom gibt es zur Zeit auf der gesamten Insel keinen. sehr cool. Mit thailändischer Simkarte, 3G Netz und Kreditkarte blitzschnell einen Bungalow gemietet 🙂 Unsere beiden italienischen Sitznachbarn folgen unserem Plan. Wir können endlich mit unserem durchnässten Gepäck von Board und werden abgeholt. Uns reicht es für heute, der Bedarf an Wellenreiten ist gedeckt.
Auch wenn auf Koh Chang ein bezahlter Bungalow auf uns wartet, werden uns heute keine zehn Pferde mehr auf ein Boot bringen.

Die Nässe muss raus!

Alles wird ausgepackt.

Sonne und Wind sind Freunde beim Trocknen.

Schön, wenn´s dabei nicht mehr schaukelt.

Angekommen im Talay Time, im gleichen Bungalow wie vor einer Woche, können wir unsere Sachen auf der Terrasse trocknen lassen und zur Ruhe kommen. Zwischen dem Aufheben unserer permanent wegwehenden Kleidung bearbeiten wir Fotos und schreiben diesen Text. Dank Powerbank können wir auch eine Weile ohne Strom arbeiten.

Es fühlt sich gut an dabei im Bett zu liegen und uns von dem Schrecken zu erholen. Doch die Sturmausläufer die vor unserem Bungalow kräftig zu spüren sind, bereiten uns Sorgen. Kommen wir morgen wirklich weiter und wenn, wie wird es werden?

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