Weltreise Tagebuch

#82 Überraschendes Bosnien – Unterwegs im Una Nationalpark

Nadine

25. – 27. Juli 2018

Der Zufall will es, dass wir früher als geplant einen Abstecher nach Bosnien machen. Wir entdecken nahe der Grenze zu Kroatien einen Nationalpark, der erst vor 10 Jahren eröffnet hat und touristisch noch ziemlich unbekannt ist. Die wenigen Bilder auf Google lassen uns uns nicht los und so machen wir uns auf den Weg in ein uns fremdes Land. Nach der Enttäuschung Plitwitzer Seen entdecken wir hier einen absolut sehenswerten Naturspot. Ein echter Geheimtipp!

Unser Campingplatz bei den Plittwitzer Seen ist nicht weit von Bosnien und Herzegovina entfernt. Und ein Blick auf die ADAC Karte (jaaa – ganz oldschool) zeigt uns, dass sich genau an der Grenze zu Kroatien ein Nationalpark befindet. Nationalpark Una, benannt nach einem der drei Flüsse, die durch den Park verlaufen. Hier soll es nicht nur tolle Wasserfälle geben, sondern auch eine intakte Naturlandschaft, in der auch Bären, Luchse, Wölfe und andere Gesellen leben. Auf geht’s also in ein Land, das wir beide früher nicht auf dem Zettel hatten 🙂

An der Grenze der erste Unterschied: wir reisen in ein Nicht-EU Land ein, also heißt es Ausweise raus und warten was der Grenzbeamte zu sagen hat. Aber alles gut. Kein Wagen auseinander nehmen, noch nicht mal Autopapiere zeigen. Cool. Übrigens waren wir in Deutschland ewig auf der Suche nach einem „D“ Aufkleber für den Wagen, den man ja braucht sobald man außerhalb der EU unterwegs ist. So kleben wir das auffällige Ding kurz vor der Grenze auf unser Heck, auch wenn es hier scheinbar – außer uns – keinen interessiert 😛

Bevor es in den Nationalpark geht, suchen wir noch eine Unterkunft in der nahe gelegenen Stadt Bihać. Wir hatten uns schon vorher bei Airbnb ein Zimmer rausgesucht und da der Gastgeber schlau war und auf den Fotos Hinweise gegeben hat, wie man ihn finden kann (ohne dass Airbnb es gemerkt hat), haben wir ihn tatsächlich auch recht flott entdecken können. Wir sparen Airbnb Gebühren und die Gastgeber auch – win win 😉 Wir dürfen auch direkt schon das Zimmer beziehen und unsere Sachen ausladen. Wir wohnen nun direkt gegenüber einer kleinen Moschee. Auch das ist anders hier. In Ländern wie Malaysia oder Indonesien sind wir solche Anblicke gewohnt – aber innerhalb Europas ist das eher ungewöhnlich. Und auch wenn der Islam im Land am stärksten vertreten ist (neben Christen, Juden und Orthodoxen) so sieht man selten Frauen mit Kopftuch. Der bosnische Islam ist eben auch etwas anders.

Nun aber los. Es gibt sechs verschiedene Eingänge zum Nationalpark und wir fahren zum nächtsgelegenen nach Lohovo. Eintritt zahlt man hier noch keinen. Schranken oder Wärterhäuschen gibt es auch nicht. Prima 🙂 Wir stellen unseren Wagen ab und laufen etwas unbedarft einfach mal los. Beschilderung ist bis auf eine Übersichtskarte des ganzen Nationalparks irgendwie noch nicht wirklich vorhanden. Aber wir wollen ja auch erst mal nur reinschnuppern. Wir folgen einem breiten Schotterweg, der entlang des türkis leuchtenden Flusses Una verläuft.

Coole Farbe

Fluss Una im Una Nationalpark

Rund um den Fluss ragen bewaldete Berge auf und immer wieder wird die Una von kleinen Wasserfällen in ihrem ruhigem Fluss unterbrochen. Die Farbe ist traumhaft! Und überall blühen die buntesten Blumen umschwirrt von limonen- oder orangefarbenen Schmetterlingen. Nach guten vier Kilometern öffnet sich das Tal und wir stehen vor eine wild wachsenden Wiese voll mit hohen Gräsern und Abermillionen Grashüpfern! Mit jedem Schritt sieht man sie nicht nur in alle Richtungen wegspringen, sondern spürt sie sogar! Es sind einfach so viele, dass sie quasi ständig an unseren Beinen und Klamotten anecken und wieder abprallen. Es ist als würde die Wiese lebendig werden. Echt unglaublich verrückt.

Sie hocken überall…

…besonders auf dieser Wiese sind gefühlt Millionen unterwegs und springen um unsere Beine herum

Der nächste Tag hat es in sich. Um den hiesigen berühmten Štrbački buk Wasserfall besichtigen zu können, wartet eine etwas längere Anfahrt auf uns. Eingang Nummer 3 (bei Orašac) ist der beliebteste und leider auch der ungeteerteste 😉 Sprich: acht Kilometer langer staubiger Schotterweg gespickt mit vielen hübschen Schlaglöchern und Engstellen. Kommt ein Fahrzeug von vorne darf einer von beiden bis zur nächsten Ausweichbucht rückwärts fahren.

Wow – 8 km können sich echt lang anfühlen! Zum Glück macht unser Wagen alles mit. Auf der Hälfte der Strecke dürfen wir die Schranke nach einem kleinen Eintrittspreis von umgerechnet 3€ pro Person passieren. Hier in Bosnien wird übrigens in Mark bezahlt und die Umrechnung ist 1 zu 1 wie damals bei der D-Mark und dem Euro. Wir müssen die hiesigen Preise also nur durch zwei teilen – easy 😛

Auf einer großen Lichtung im Wald sind kostenlose Parkplätze und genau heute findet für die nächsten drei Tage ein Rafting Festival hier statt. Die Una ist bei Raftern sehr beliebt und viele Einheimische kommen heute hier zusammen. Zum Glück sind wir aber wieder zeitig los und können schnurcktracks den Wegweisern zum Wasserfall folgen. Die neu angelegten Holzstege bringen uns flott an den ersten Aussichtspunkt. Sofort vergessen wir die anstrengende Gurkerei hier her. Der Štrbački buk Wasserfall hat zwar „nur“ eine Fallhöhe von 24m, aber dafür töst es hier umso lauter und beeindruckender 😉

Štrbački buk Wasserfall

Der höchste Wasserfall im Una Nationalpark

Und das Schöne ist: es ist kaum etwas los hier. Während der ganzen Zeit im Nationalpark hören wir nur einmal niederländisch. Ansonsten sehen wir hauptsächlich einheimische Familien. Im Laufe des Tages wird es zwar voller – aber hey: Rafting Festival 😉 Wir haben auf jeden Fall genügend Zeit ein paar improvisierte Langzeitbelichtungen auf einem Kokosmehlsack (als Ersatz für ein Stativ) zu machen. Ein wunderschönes Fleckchen Erde und viel schöner und vorallem ruhiger als der gerammelt volle Plitwitzer Seen Park.

Und wer mutig ist kann sich hier beim Rafting einen Adrenalinkick geben lassen. Gestartet wird auf einer dem Hauptwasserfall folgenden deutlich kleineren Stufe, wo es dann aber auch gute drei Meter in die Tiefe geht. Auf den Werbebildern sieht es auf jeden Fall beeindruckend aus – in Echt ist grad leider keiner gestartet 😉

Wir schlendern noch ein Weilchen auf den Holzstegen und setzen uns für ein Picknick an das Ufer der Una. Hoffentlich bleibt dieses kleine Paradies noch lange so erhalten. In Bosnien leben noch viele bedrohte Tierarten (auch Pflanzenarten), die aufgrund der recht dünnen Besiedlung des Landes noch nicht vertrieben worden sind. Auch die zum Teil schlechte Zugänglichkeit der bergigen Regionen des Landes ermöglichen die reiche Artenvielfalt.

Es gibt noch einiges mehr zu sehen im Nationalpark, aber aufgrund seltsamer Einreisebestimmungen die vorsehen, dass man sich bei einem längeren Aufenthalt als drei Tagen bei der Polizei melden muss (und eine Gebühr zahlt), wollten wir erst einmal nur die spontan geplanten zwei Nächte hier verbringen bevor es zurück nach Kroatien geht. Aber schon in ein paar Tagen führt uns unsere Route wieder nach Bosnien. Dann auch länger als drei Tage 🙂

Ruhige Seitenstraße in Bihać, Bosnien

Der Krieg aus den 90ern ist immer wieder sichtbar

Die Stadt liegt an den Ufern der Una

Es ist kaum Geld da um die vielen Kriegszeugnisse entfernen zu lassen

Natürlich schauen wir uns auch ein wenig in der Stadt Bihać um. Sie liegt an den Ufern der Una und ist eingebettet in einem sanften Talkessel zwischen bewaldeten Bergen. Viele Häuser sehen heruntergekommen aus, haben Einschusslöcher aus dem Krieg oder besitzen weder Putz noch einen Anstrich. Das Land gehört zu den ärmsten in Europa und besitzt mit deutlich über 50% die höchste Jugendarbeitslosigkeit der Welt. Die Wirtschaft liegt tief am Boden, die Politik ist korrupt und ohne Vitamin B bekommst du hier einfach keinen Job. So verwundert es nicht, dass immer mehr junge Menschen das Land verlassen um in Österreich oder Deutschland eine Arbeitsstelle zu suchen. Und so sehen wir viele deutsche und österreichische Autokennzeichen von Bosniern, die erfolgreich eine Arbeit gefunden haben und nun im Sommer ihre Familien besuchen kommen. Deutsch können hier unerwartet viele sprechen. Nicht nur aufgrund der schlechten Arbeitssituation hier sondern auch durch die Flüchtlingszeit während des Bosnienkrieges in den 90ern.

Fethija-Moschee – die ursprünglich gotische Kirche wurde nach Eroberung der Osmanen umgewandelt

Reste der Kirche des hl. Antonius

Von der Kirche des hl. Antonius steht nur noch der Turm und ein paar Mauern

In der Stadt gibt es einen kleinen Altstadtkern in dem die Fethija Moschee steht, die auf den Mauern einer gotischen Kirche aus dem 14. Jahrhundert entstanden ist. Nach der Besetzung durch die Osmanen im 16. Jahrhundert wurden viele zum Islam gezwungen, viele Kirchen zerstört und Moscheen errichtet. Doch längst nicht alle sind dem Islam zugehörig und so findet man auch die Kirche des hl. Antonius, die seit dem zweiten Weltkrieg nur noch aus dem Turm und ein paar Mauern besteht. Mit einem Spaziergang durch einen Park und entlang des Stadtflusses beenden wir unseren Bummel. Am Abend werden wir von unseren Gastgebern zu Schnaps und Likör eingeladen. Alles selbstgemacht natürlich. „Nur Natur!“ versichern sie uns. Wir stoßen mit ihnen an und wünschen diesem Land Lösungsansätze für die vielen Probleme, die es zweifelsohne hat. Ein Prost auf die tolle Gastfreundschaft, die wir jetzt schon erfahren durften!

(Übrigens blieb es nicht nur bei Schnaps und Likör. Wir bekamen noch Gurken, Zucchini und Katzengrastee aus dem Garten obendrauf. :D)

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