Weltreise Tagebuch

#163 Wanderung auf den zweithöchsten Berg der Algarve

Nadine

April 2019

Wer hätte gedacht, dass man in der Algarve wandern gehen kann? Also wir hatten keinen blassen Schimmer, aber das Hinterland ist überraschend hügelig! Wir haben uns den zweithöchsten Berg der Region vorgeknöpft und erleben nicht nur eine unglaublich bunte Flora, sondern auch zauberhafte Korkeichenwälder und natürlich einen tollen Blick über die Berge bis hin zum Atlantik.

Der Nordwesten der Algarve ist Heimat des Gebirges Serra de Monchique mit dem Fóia (902m) als höchsten Berg. Die Serrra ist der Wetterfänger für die Südküste Portugals und sorgt dafür, dass sich der Regen aus dem Norden über den Bergen staut und schließlich abregnet. Gepaart mit den warmen Temperaturen entwickelte sich hier eine sehr hohe Artenvielfalt. Dank des Sandstein-Schiefer Gemischs, aus dem die Serra hauptsächlich besteht, gelangen die Gebirgsflüsse bis an die Küste und versorgt die Südalgarve mit Wasser. Trotz des feuchten Wetters im Winter, kommt es im Sommer immer wieder zu verherenden Waldbränden, die viele alte Wälder mit Korkeichen, Walnussbäumen und Kastanien bedrohen. So auch 2018. Erst nach einer Woche konnte der Brand gelöscht werden. Auf dem Weg zu unserem Wanderstartpunkt konnten wir die schwarzen, verkohlten Überreste sehen.

Der Titel verrät es ja schon, dass wir nicht auf den höchsten, sondern den zweithöchsten Berg, genannt Picota (737m), steigen wollen. Warum eigentlich? Hauptsächlich weil der höchste Berg in der Hochsaison von unzähligen Bussen belagert werden soll und mit seinen vielen Masten und Funksendern deutlich weniger hübsch aussieht. Die Wanderung auf den Picota hingegen soll eher unbekannt und menschenleer sein. Also eher noch ein kleiner Geheimtipp 🙂 Zudem hat uns überzeugt, dass die Tour durch einen alten Korkeichenwald verlaufen soll. Wir kennen Kork nur auf Weinflaschen und Co. haben aber noch nicht die dazugehörigen Bäume gesehen. Wird also mal Zeit ;-P

Wir starten von unserem „Basecamp“ in Alcantarilha und fahren gute 40min bis zu dem Bergort Monchique auf 458 Metern Höhe. Schon auf dem Weg durch die hügelige Landschaft staunen wir über die grünen Wälder, die blühenden Gärten der Dörfer und die Terrassen mit Obstbäumen. Als wir einen Stellplatz für unseren Wagen gefunden haben, verschlägt es uns kurz den Atem. Vor Kälte! Wir haben natürlich damit gerechnet, dass es kühler als an der Küste ist. Aber sooo kalt? Die Sonne versteckt sich noch hinter den Nebelwolken und dazu bläst ein kalter Wind. Aber wir wären ja keine ordentlichen Wanderer, hätten wir nicht Fleece und Primaloft Jacken mit 😉 Also zwei Jacken drüber und für Carsten noch die Mütze auf den Kopf und dann einfach in Bewegung kommen. Ich bin tapfer und bleib untenrum bei kurzer Hose. Die Sonne soll ja noch rauskommen und ich will sie damit ermutigen es möglichst bald zu tun 😛

Wir starten direkt mit einem steilen Straßenanstieg bis zum Rand des Dorfes wo wir schließlich in den ersten Korkeichenwald abbiegen. Trotz der Kälte bleiben wir immer wieder stehen und bewundern diese schönen Bäume. Die meisten hier werden zur Korkproduktion benutzt und „geerntet“. Das bedeutet dass alle 8-10 Jahre die Rinde des Stammes abgeschält wird. So eine Korkeiche liefert bis zu 200kg Kork während ihrer gesamten Lebensspanne, wobei sie das erste Mal zwischen ihrem 12. und 15. Lebensjahr geschält wird. Anschließend leuchtet der Stamm rotbraun bis er über die Jahre wieder nachdunkelt und anwächst.

Wunderschöner Korkeichenwald

Korkeiche mit abgeschältem Stamm

Der untere Teil der Rinde wurde 2018 (dafür steht die 8 auf dem Baum) geerntet

So sieht eine Rinde aus, die schon einige Jahre wachsen durfte

Im Hintergrund der Erzeuger der Eichel 😉

Unter den Gesichtspunkten von Artenvielfalt und kulturellem Erbe werden Korkeichen als höchst wertvoll angesehen. Zum einen stellen sie geringe Bodenansprüche und wachsen auch auf felsigen oder „mageren“ Standorten. Zum anderen sorgen sie für den Lebensraum von anderen Pflanzen, aber auch von Tieren. Auch ein wichtiger Punkt ist ihre Fähigkeit sich nach einem Waldbrand schnell zu erholen, da sie durch ihren Kork geschützt sind (das gilt natürlich nicht für frisch geschälte Bäume). Übrigens beobachten wir gerade wie aus Kork nicht mehr nur noch der Korkverschluss hergestellt wird (der wird ja leider immer mehr von Plastik- und Blechverschlüssen ersetzt), sondern auch Handtaschen, Geldbeutel und sogar Schuhe. Spannendes Material. Und noch tollere Bäume 🙂

Ihr seht schon, wir lieben (diese) Bäume 🙂 Mindestens genauso beeindruckt sind wir von den vielen Blumen, die überall am Wegesrand blühen und uns in einen fetten Fotorausch verwickeln 😀 Hier mal ein paar bunte Beispiele:

Wir haben uns inzwischen warm gelaufen und haben nach kurzen Wegfindungsproblemen wieder den richtigen Pfad gefunden. Ein Korkeichenwald wechselt in den nächsten bis es sich schließlich lichtet und wir unter einem jungen Eukalyptuswald wandeln. Schön anzusehen, wie die dünnen Stämme in die Höhe wachsen und sich im Wind wiegen.

Später recherchiere ich, warum eigentlich Eukalyptus in Portugal wächst. Ich verbinde damit nur Australien und Koala Bären. Eukalyptus gab es früher auch nicht in Portugal. Er wurde im 19. Jahrhundert eingeführt und ist dank seines schnellen Wachstums ein fantastischer Rohstofflieferant für die Papierherstellung. Und nach den vielen Waldbränden in Portugal wird er gerne zur Wiederaufforstung genutzt. Wächst ja so schnell. Leider bringt dieser Baum essentielle Probleme mit sich. Zum einen brennt er wie Zunder – ist also alles andere als geeignet in trockenen und waldbrandgefährdeten Gebieten. Er verschlimmert es sogar! Zum anderen brauchen Eukalypten Unmengen an Wasser – bis zu 500l am Tag! Dazu bildet er bis zu 20m tiefe Wurzeln und saugt den Grundwasserpegel an, der dann natürlich mehr und mehr sinkt und weder den Bauern für die Feldwirtschaft noch heimischen Pflanzen zur Verfügung steht. Eukalyptus dreht der Artenvielfalt das Wasser ab! Nicht mal die Tiere haben einen Nutzen aus dem Eukalyptus. Durch die ätherischen Öle wirken die Blätter wie Gift. Nur der Koala Bär ist in der Lage die Blätter zu verdauen. Aber der ist in Portugal genauso wenig heimisch wie der Baum selbst. Leider keine schöne Geschichte. Aber eine die erzählt werden muss. In der Hoffnung, dass wir daraus lernen können.

Das alles wussten wir noch nicht als wir durch den duftenden Eukalyptuswald laufen und uns dem unbewaldeten „Vorgipfel“ des Picota nähern. Wir sind immer noch die einzigen Wanderer und freuen uns auf den letzten Anstieg, der einen Hauch von alpiner Luft mit sich bringt. Es geht über steiniges wegloses Gelände, ab und an ein Steinmännchen zur groben Orientierung, und schließlich stehen wir auf dem Gipfel, wo der Wind ungebremst hinwegfegt. Wir sind immer noch froh über unsere Primaloft Jacken 😉 Ein etwas heruntergekommener Beobachtungsturm thront auf dem Picota und wir steigen die zum Teil kaputten Treppenstufen nach oben. Die Aussicht geht bis zum Atlantik, wenn auch ziemlich diesig. Trotzdem hat sich der Aufstieg gelohnt. Allerdings pfeift der Wind so laut um die Ohren, dass wir wieder runterlaufen und uns in der Nähe des Turms hinter ein paar Büsche setzen. Windgeschützt mit Bergpanorama mampfen wir genüsslich unser Brot mit Hummus und ein paar Belohnungs-Kekse 😀

Picota (737m) – zweithöchster Berg der Algarve

Das hügelige Hinterland der Algarve

Privater Beobachtungsposten 😉

Blick auf die Stadt Monchique

Nach ausgiebiger Rast, machen wir uns wieder an den Abstieg und begegnen nun auch den ersten (deutschen 😉 ) Wandergruppen. Wir freuen uns, denn wir haben wieder alles richtig gemacht mit dem früh losgehen 😀 Der Abstieg ist identisch mit dem Aufstieg, aber es wäre auch ein Rundwanderung möglich. Allerdings fanden wir den Eichenwald so schön, dass wir ihn sehr gerne noch einmal durchwandern. Die Weltreise hat bei uns eine wachsende Liebe zu Bäumen angestoßen. Angefangen bei den Würgefeigen in Angkor Wat, weiter zu den echten Regenwäldern in Indonesien bis hin zu so spannenden Exemplaren wie den Baobabbäumen oder den Köcherbäumen. Manchmal kann einen die Vielfalt der Natur umhauen. Wir müssen allerdings endlich anfangen sie bedingungslos zu (be-)schützen.

Zwerg unter Riese 😛

So ein schönes Korkeichenexemplar 🙂

Zurück am Auto fahren wir wieder Richtung Küste und machen noch einen Umweg über das Bergdorf Silves. Direkt vom Straßenrand aus beobachten wir wie eine ganze Horde an Störchen über eine Wiese stakst. Ein paar Minuten später sehen wir mächtige Storchennester auf Leitungsmasten mit neugierig heraus äugendem Nachwuchs. Zum Glück können wir den Wagen gut abstellen und kommen nah genug heran um von unten ein paar Fotos machen zu können 😀 Einfach süß die Kleinen, oder? Und sogar gleich drei Stück! In Deutschland sieht man ja nur in ganz wenigen Regionen diese stolzen Vögel, aber hier im Süden Portugals sind sie wahrlich keine Seltenheit 🙂

Storchenmama mit ihren drei Nachkömmlingen

Im Süden von Portugal haben wir oft Störche und ihre Nester gesehen 😀

In Silves angekommen, bummeln wir noch eine Weile durch die belebte Stadt. Sie liegt malerisch auf einem Hügel auf dessen Gipfel die größte und am besten erhaltene Burg der Algarve liegt. Wir lassen sie heute mal links liegen. Generell schauen wir uns Burgen ganz gerne mal an, aber heute verspüren wir mal keine Lust. Darf auch mal sein 😉

Silves, Algarve

Sehenswerte kleine Stadt im Hinterland der Algarve

Wer also mal Urlaub an der Südküste macht und sich auch mal vom Strandleben lösen kann, dem können wir eine Wanderung im Hinterland empfehlen. Allein schon wegen der Korkeichenwälder 😉 Unsere Tour auf den Picota ist auch keine sehr anspruchsvolle und für jeden mit Spaß an der Bewegung gut machbar. Die meiste Zeit läuft man im schattigen Wald, so dass man auch im Sommer keinen Hitzschlag erleiden dürfte. Wir waren ungefähr vier Stunden unterwegs und da sind schon sämtliche Fotostopps und Pausen dabei. Für uns war der Ausflug ins Hinterland eine schöne Erfahrung, die wir nicht missen wollen!

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