Weltreise Tagebuch

#133 Am Fuße des Matterhorns

Carsten

16. – 18. Dezember 2018

Die markante Spitzkoppe in Namibia wird gerne als das Matterhorn Namibias bezeichnet und ist der meistfotografierte Berg Namibias. Die angrenzenden Felsformationen laden uns zum Kraxeln und Sonnenuntergang geniessen ein. Nebenbei erleben wir auch noch die schönste Campsite Namibias und bleiben eine Nacht länger.

Die Umgebung der Spitzkoppe (1728m.ü.M.) soll einmalig sein, heisst es in vielen Reiseberichten und die Fotos im Netz schauen wirklich toll aus. Deshalb haben wir im Vorfeld schon mal eine Nacht mitten im Spitzkoppe Gebiet gebucht, um nicht ohne Stellplatz dazustehen. Doch erst einmal müssen wir dorthin kommen und unser Garmin Navi vom Vermieter ist nur bedingt hilfreich. Wir fahren also einen riesen Umweg über eine gut ausgebaute B-Straße und bei den nächsten Hinweisschildern in Richtung Spitzkoppe und gleichzeitigem Hinweis vom Navi dieses zu ignorieren, haben wir die Nase von Umwegen voll. Straßenqualität hin oder her, wir sind eh schon wieder auf einer waschbrettartigen D Schotterpiste unterwegs und eine Sandpiste ist dann auch nicht unangenehmer, vielleicht sogar schöner zu fahren. Also los, Handy raus, MapsMe an und der Sandpiste folgen. Es wird schmal und immer wieder kratzen Äste links und rechts am Auto entlang.

Die Fahrspuren werden tiefer und wir durchfahren mehrere trockene Flussbetten. Das Gelände fordert nicht nur des Sandes wegen Allrad, auch die Flussbetten beginnen und enden mit steilem und felsdurchsetztem Gelände. Alles nicht schwierig, aber ohne genügend Bodenfreiheit und Allrad hätten wir keine Chance. Mit unserem Hillux macht es allerdings Spaß. Plötzlich kommen wir zu ein paar Hütten und die Piste verliert sich im Nirgendwo. Hinweisschilder gibt es keine und Menschen sehen wir auch keine. Ein Blick auf MapsMe zeigt wenigstens die grobe Richtung und so entscheiden wir uns erstmal das nächste breite ausgetrocknete Flussbett zu queren und dann mal weiter zu schauen. Gute Entscheidung, auf der anderen Seite ist wieder eine Fahrspur im Sand zu erkennen. Hier geht es im gleichen Stil weiter und wir sind laut Karte auf dem richtigen Weg.

So einsam wir hier auch unterwegs sind, ganz allein sind wir nicht 😉 Ein Gelbschnabeltoko sitzt schön anzuschauen in einem Baum. Da stört es auch gar nicht, dass wir eben bei einem Abzweig den falschen genommen haben und ein paar Meter zurück müssen. Gut, dass noch keine Regenzeit ist, dann gibt es hier vermutlich kein Durchkommen, aber aktuell ist es eine schöne Abwechslung zum Waschbrettpistengeschüttel.

Gelbschnabeltoko

Er wird in Namibia auch gerne „flying banana“ genannt

Die erste Siedlung am Rande des Spitzkoppegebiets ist an Armut kaum zu übertreffen. Gerade jetzt in der Nebensaison, wo weniger Touristen hier her kommen sind die Einnahmen sehr gering. Die vielen Familien, die hier leben und ihr Glück suchen wirken auf uns desillusioniert, denn die vielen reichen Touristen bieten zwar eine Perspektive, aber das Ergebnis ist erschreckend. Zuviel zum sterben und zu wenig um halbwegs würdevoll leben zu können. Puh, willkommen im armen Teil Namibias. Nicht nur weil wir gerade etwas geschockt sind, sondern auch weil immer wieder bettelnde Menschen den Weg säumen oder in Richtung Straße rennen um irgendetwas zu verkaufen, lassen wir unsere Kameras unten und machen keine Fotos vom Elend der Menschen. Wir fühlen uns in diesem Luxusauto am falschen Platz und haben keine Antworten auf unsere Gefühle. Unsere Kamera auf diese Menschen zu richten ist auf jeden Fall keine.

Wir fahren durch die Siedlung, uns wird zugewunken und direkt im Anschluss folgen Gesten des Bettelns. Wir winken zurück und manchmal ernten wir ein kleines Lächeln. Nach ein paar hundert Metern erreichen wir die Zufahrtsstraße der Campsite, sie ist zu Beginn gesäumt von Verkaufsständen, die Andenken verkaufen und aktuell halb leer stehen. Die Stände enden und nach einer weiteren Minute ist die Straße wie leergefegt und wir kommen zum Eingang der Campsite, die von der Nationalparkverwaltung betrieben wird.

Die Landschaft ist mega schön, die Anmeldungsformalien und die Frage wo dürfen wir stehen, lenken uns von dem Erlebten der letzten Minuten ab. Die Spitzkoppe-Campsite ist naturnah und bietet auf einem kilometerweitem Areal einige für sich liegende Stellplätze mit privater „Longfall-Toilet“ = Plumpsklo 🙂 und einer Feuerstelle – das war es, kein Wasser, kein Strom und Open-air-Duschen sind am Eingang ein paar Kilometer entfernt 😉

Unser Stellplatz

Das rote ist Toilettenzelt mit Plumpsklo, Wasser gibt es nicht, aber dafür noch eine Mülltonne und viiiiel Platz

Wo frei ist, können wir uns hinstellen lautet die Antwort auf die Frage wo wir stehen dürfen. Ein ungenauer Übersichtsplan soll uns helfen die einzelnen Plätze zu finden und ein paar sind auch schon von einem recht großen Filmteam belegt. Na dann mal los. Wir rollen langsam wie vorgeschrieben durch die Anlage und sind begeistert von den Felsformationen und der Weitläufigkeit – Hammer, einfach nur schön! Nach dem Abwägen von Sonnenaufgang und Untergang, lärmendem Filmteam und Wohlfühlfaktor wählen wir nach einer guten halben Stunde des Cruisens unseren Platz für die nächsten zwei Nächte unter einer der schönen Granitwände. Heute machen wir nicht mehr viel und geniessen einfach die direkte Umgebung und die Wärme am Abend. Die Hitze hat uns wieder und die abendliche Kälte der Küste ist Vergangenheit 😉 Morgen wollen wir dann sowohl zu Fuss als auch nochmals mit dem Wagen die Gegend erkunden. Eine Naturbrücke wartet ebenso auf uns, wie die vielen süßen Dassies. Und dann wird es doch wohl irgendwo noch ein Weg nach oben geben, ohne dass eine Kletterausrüstung von Nöten ist 😉

Morgenstund‘ hat Gold im Mund – die Spitzkoppe im güldenen Gewand 🙂

Die Nacht ist vorüber und trotz zweiter Nacht am gleichen Ort müssen wir unser Zelt abbauen, sonst wird es nix mit herumfahren. Wir sind nun schon gut geübt und das Zelt ist schon nach fünf Minuten gut verpackt. Auf geht‘s zur Naturbrücke. Bei unserer Ankunft erwarten uns erstens das Filmteam mit ihren Trucks auf dem Parkplatz und – viel besser – jede Menge Dassies, die die Felsen um uns herum bevölkern 🙂 Sie erinnern uns an Murmeltiere und sind ebenso flink wie scheu, nur selten bleiben sie länger sitzen und lassen einen an sich heran. Wir haben Glück und können uns einem Exemplar bis auf zwei Meter nähern. Bevor es letztlich losläuft haben wir schon unseren Rückzug angetreten und es scheint, als ob es gewartet hat bis wir alle Fotos im Kasten haben 😉

Der Dassie sieht ein bisschen wie aufgeladen aus 😛

Dieser Dassie hat uns ganz nah an sich herangelassen 🙂

Was gibt es denn so grimmig zu gucken?

Sprungbereit – Dassies sind hervorragende Kletterer

Der Granit ist mega griffig und selbst steile Abschnitte können gut auf Reibung erklommen werden. Da Stufen hier selten sind gilt es den Sohlen zu vertrauen und herunter müssen wir ja auch wieder. Deshalb gibt es nur wenige Möglichkeiten die Felsformationen zu besteigen. Auch auf die Brücke geht es nicht hinauf, oder besser gesagt rauf vielleicht, nur gesund nicht wieder runter 😉 Dafür posiert Nadine unterm Brückenbogen und springt vor Freude in die Luft 🙂

Nur mal so als Größenvergleich 😉

Wir kraxeln noch ein wenig herum und machen uns dann auf den Weg das Gebiet in Ruhe zu erkunden. In einem Baum finden wir ein Ziegenskelett und es schaut aus, als ob es von einem Leoparden gerissen, in den Baum gebracht und dort gegessen wurde. Auch wenn wir nicht auf der Speisekarte der Wildtiere stehen, Augen auf beim herumwandern und beim nächtlichen Toilettengang 😉 Die Campsites sind in Namibia zwar oftmals eingezäunt, aber richtig dicht sind die Zäune eher selten und um diese Campsite verläuft erst seit 2007 ein Zaun, der ein Überbleibsel der Dreharbeiten zu Roland Emmerichs Film „10.000 B.C.“ ist. In manchen Campsites versuchen Mitarbeiter in den Nachtstunden durch Präsenz und vereinzelten Schreckschüssen Wildtiere von zu viel Nähe zum Menschen abzuhalten. Vor allem Leoparden und Paviane sind wenig willkommen. In Botswana sind die Campsites selbst in den Naturschutzparks mit reichlich Großtieren wie Elefanten und Löwen nicht eingezäunt und das geht scheinbar auch ohne Zwischenfälle. Es stellt sich wirklich die Frage über den Sinn der Zäune und Waffen.

Werden wir hier und jetzt nicht beantwortet bekommen und machen mal weiter. In der Nähe unseres Platzes liegt eine Felsformation, die wie ein liegender Elefant ausschaut. Da braucht es nicht mal viel Fantasie 🙂 Vielleicht können wir ihn noch von weiter oben anschauen. Der gegenüberliegende Felsbrocken scheint über eine Seite begehbar zu sein und bevor das Gestein zu heiss wird machen wir uns lieber gleich auf den Weg nach oben. Es führt ein gemütlich steiler Anstieg zu einer Stufe die nun nicht mehr auf Reibung zu bewältigen ist. Netterweise hat hier jemand zwei kleine Stufen hineingehauen und so können wir auch hier hinauf kraxeln, auch wenn die passenden Griffe erst gefunden werden wollen. Weiter geht es wie gehabt gemütlich auf Reibung und oben angekommen erwartet uns ein super Panorama und ein cooler „Rockpool“, nur leider ohne Wasserfüllung – schade 😉

Panorama vom „Rockpool“

Blick zum „Pontok“

Gipfelblick aus dem Pool ohne Wasser – hat aber trotzdem was 😉

Schnell ist uns klar, hier werden wir den heutigen Sonnenuntergang erleben! Unterhalb des Gipfelplateaus starten noch zwei große Vögel und landen leider weit entfernt am Nachbarfelsen. Die Mittagssonne brennt und wir halten Ausschau nach weiteren Tieren und Ausblicken. Erfolgreich sind wir dabei nicht, dafür sind wir uns sicher, auch in der Dunkelheit heute Abend den Weg zurück zu finden – ist ja auch nicht ganz unwichtig in einem sehr unübersichtlichen Gelände ohne jegliche Trittspuren 🙂

Schon wieder so ein gut getarntes Tierchen – wir hätten es fast übersehen!

Der Kollege hier ist zwar größer, aber weiter weg…

Unsere Mägen knurren und wir machen am Auto eine Brotzeit. Im Anschluss fahren wir noch die hinterste Ecke des Geländes ab, treffen auf zwei Kletterer aus Amerika und sind uns einig, dass es langsam zu heiss wird, um in der Sonne zu bleiben. Da es bei diesen eher halbkugeligen Felsformationen Mittags nahezu keinen Schatten gibt, fahren wir zurück zu unserem Platz und bauen wieder unser Zelt auf. Vier große Öffnungen und ein leichter Wind sind perfekt um einige Zeit im Schatten des Zelts zu verbringen. Unser Plan für den späten Nachmittag steht schon. Frühzeitig lecker kochen & essen und im Anschluss mit Stirnlampen und Kameras pünktlich zum Sonnenuntergang wieder rauf zum „Rockpool“ 🙂

Nach diesem äußerst gemütlichen Nachmittag gehen wir in Richtung Felsbrocken und sehen und hören schon von Ferne das vermutlich gesamte Filmteam unterhalb der Gipfelwand und natürlich ist auch eine Monsterdrohne mit dabei. Wenn die vor unsere Kamera fliegt und den Sonnenuntergang versaut, bewerfe ich sie mit Steinen! Ich werde an die RTL-Fuzzies aus meiner Kölner Zeit erinnert. Die Art von Filmtypen gingen mir schon damals auf den Keks. Wir gehen weiter in Richtung Einstieg zum Gipfel und hoffen, dass uns die Massen nicht folgen. Bei deren Materialschlacht und Partystimmung ist die Gefahr glücklicherweise eher gering. Oben angekommen sind wir allein und erst ein paar Minuten später kommen noch drei Frauen hinzu die ebenso den Sonnenuntergang in Ruhe geniessen wollen. Wir erleben zwar nicht das Sonnenuntergangsfeuerwerk wie gehofft, aber schlecht ist es auch nicht gerade 😉 und das Panorama erscheint im Sonnenuntergangslicht auch sekündlich anders. Also kein Grund zum Jammern 🙂 Netterweise haben wir so starken Wind, dass selbst die riesige Drohne nicht fliegen kann und wir ungestört dem Farbenspiel zuschauen können 🙂

Der „Pontok“ im roten Abendmantel

Da bahnt sich doch ein schöner Sonnenuntergang an 🙂

Es wird langsam dunkel und wir steigen als Letzte ab. Erst auf den letzten Metern brauchen wir unsere Stirnlampen, bis dahin reicht das Restlicht. Am Boden wieder angekommen, wollen wir genauer hinschauen wo wir hintreten. Auf Puffottern und Skorpione wollen wir nicht treten und da Leoparden scheue Tiere sind, verschrecken wir sie lieber frühzeitig mit unserem Licht. Leider bekommen wir nicht ein einziges nachtaktives Tier zu Gesicht, nicht mal leuchtende Augen ;-(

Der nächste Sonnenaufgang soll uns eigentlich noch ein paar schöne Farben zaubern, aber leider ist der Himmel bewölkt (wie frech 😉 ) So machen wir noch einen kurzen Umweg durch die Duschen am Haupttor und uns anschliessend auf den langen Weg nach Epupa hoch im Norden Namibias. An der Ausfahrtsstraße stehen wieder die Verkaufsstände und so früh am Morgen sind wir fast die einzigen auf der Straße, mit Touristen rechnet scheinbar niemand. Wir rollen voller schöner Erinnerungen der letzten zwei Tage durch die Siedlung und fahren nachdenklich weiter. Namibia hat uns wieder neue Facetten seines tollen Landes gezeigt. Armut und Hoffnung liegen nah beieinander und so wird die atemberaubende Natur weiterhin dazu beitragen den Tourismus zu fördern, Arbeitsplätze zu schaffen und den Menschen vor Ort zu helfen. Es bleibt zu hoffen, dass möglichst alle davon profitieren können. Namibia ist ein tolles Land und wissen jetzt schon, dass wir sehr gerne wiederkommen möchten 🙂

Menü