Weltreise Tagebuch

#132 Die 100.000 Robben von Cape Cross

Nadine

16. Dezember 2018

Robben. Wir werden sie sehen. Und zwar viele. Richtig viele. Genauer gesagt, werden wir die berühmte Zwergpelzrobben Kolonie am Cape Cross besuchen – und die besteht aus bis zu 100.000 Individuen! Und da gerade Nachwuchs da ist, ist besonders viel los.

Wieder einmal startet unser Tag mit Einbruch des ersten Tageslichts. Eigentlich haben wir heute nicht viel vor. Wir wollen die Küste in Richtung Norden entlang fahren, eine Robbenkolonie beobachten und dann weiter ins Landesinnere ins Erongo Gebirge zum nächsten Campingplatz. Nur die Distanzen dazwischen sind wieder mal nicht ohne 😉 Also heißt es wieder vorher tanken gehen! Unser Reiseführer hat uns eingebleut jede Tankstelle mitzunehmen, an der wir vorbeifahren. Denn man weiß ja nie, ob die nächste Tankstelle auch wirklich Sprit hat! Gesagt, getan.

Der Morgen ist recht dunstig und bewölkt. Nicht ungewöhnlich für diese Gegend. Schuld hat der kalte Benguela Strom aus der Antarktis, der hier vor der Küste seine Bahn zieht. Die Nebelfelder sind oft so dicht und undurchdringbar, dass hier früher wie heute immer wieder Schiffe auflaufen. Dank der vielen Schiffsgerippe bekam die Küste den Namen Skeleton Coast. Dabei bezieht sich der Name auch auf die Skelette, die von den armen Schiffsbrüchigen kommen. Haben sie zwar das Unwetter und Auflaufen vielleicht überlebt, so waren ihre Überlebenschancen in der direkt angrenzenden lebensfeindlichen Wüste gleich null. Bis heute ist die Skeleton Coast ein gefährliches Gewässer für die Schifffahrt. Um die Wracks sehen zu können muss man in den nördlichen Teil der Skeleton Coast – dafür braucht man allerdings eine Erlaubnis, die man sich in der Hauptstadt abholen muss.

Während wir so gemütlich dahinrollen, checke ich unsere Route auf MapsMe, zoome immer wieder nahe in die Karte herein und bemerke einen Punkt auf dem „Zeila Wrack“ steht. Da kommen wir quasi fast dran vorbei! Klar, dass wir da mal abbiegen und zum Strand fahren. Schon von weitem sehen wir die „Zeila“. Düster liegt sie in der Meeresbrandung, wird immer wieder von den hohen Wellen umspült. Meeresvögel fliegen zu den Masten, wo sie sich große Nester gebaut haben. Mit frischen Zweigen im Schnabel erweitern sie ihre Brutstätten. Perfektes Wetter für so ein Wrack 🙂

Dieses Skelett unterstreicht, dass wir an der Skeleton Coast sind 😉

Auf der Suche nach neuem Material für das Nest auf der „Zeila“

Die „Zeila“, gestrandet 2008. Heute besiedelt von Vögeln

Hier wird er fündig werden 😉

Die Zeila ist 2008 aufgelaufen. Eigentlich sollte sie zur Verschrottung/Altmetallnutzung nach Indien überführt werden, aber auf dem Weg dahin hatte sie sich kurz nach der Abfahrt in Walvis von der Schleppleine gelöst. Nun dient sie den Vögeln als neues zu Hause.

Wir machen uns wieder auf den Weg und kommen nach insgesamt 2,5 Stunden am Cape Cross Seal Reserve an. Am Eingang bezahlen wir die Parkgebühren und bekommen noch einen Infozettel zu den Zwergpelzrobben dazu. Vom Tickethäuschen bis zur Robbenkolonie sind es noch mal gute 10min Fahrzeit. Bis hierher sind wir auf Asphalt gefahren. Jetzt heißt es wieder auf Allrad umschalten 🙂

Wir halten Ausschau nach der Kolonie und sehen schließlich von Weitem unfassbar viele schwarze Punkte am Strand wabern. Das müssen sie sein! Und natürlich sind sie es! Was sonst hätte es sein sollen? 🙂 80.000 – 100.000 Zwergpelzrobben sollen hier leben. Eine unvorstellbare Menge! Genauso unvorstellbar soll auch der Gestank sein, der von den vielen Robben ausgehen soll. Nicht nur, dass die Klamotten den Geruch annehmen, auch die Haare und die Haut und sogar das Kameraequipment soll noch zwei, drei Tage danach stinken. Wir haben uns aus dem Grund in Deutschland beim Baumarkt zwei Einweg-Maleranzüge gekauft und mitgenommen. Unsere Kameras haben wir zum größten Teil mit Plastiktüten überzogen. Auch wegen der salzhaltigen Luft. Vielleicht ist es übertrieben? Wir werden es gleich erfahren. Ich wage es als erste die Tür zu öffnen und werde förmlich erschlagen von der Gestankswand! Aber wir kennen das ja, der erste Moment ist immer der Schlimmste! Carsten kommt nun auch raus und wäre am liebsten wieder im Wagen untergetaucht. Aber nutzt ja nix – wir wollen Robben sehen. Also rein in die Anzüge und los geht’s! Ach ja, neben dem krassen Robbenparfüm gibt es auch noch ein lautstarkes Robbenkonzert! Also an Ohrstöpsel haben wir jetzt aber nicht gedacht 😛

Der Strand ist schwarz vor Robben – und hinter der Kurve geht es noch viel weiter!

Ganz schön laut hier, aber der Gestank toppt alles bisher Erlebte und ist dank Landwind besonders stark

Wir sind gewappnet 😀

Wir haben Glück – es gibt gerade Nachwuchs unter den Robben! Ende November bis Anfang Dezember bringen die trächtigen Weibchen jeweils ein ca. fünf Kilogramm schweres Junges auf die Welt. Schon auf dem Weg zu den großen Robbengruppen, treffen wir auf die ersten Jungen. Allesamt tot. Oftmals schon runtergeknabbert bis auf die Knochen. Die Schakale waren also schon da. Wir nähern uns langsam und bedacht den schreienden Robbenbabys – nicht ohne ständig auf irgendwelche Knochen zu treten. Naja, nicht irgendwelche. Robbenbabyknochen natürlich. Gruselig. Aber damit können wir noch umgehen. Tot ist tot. Aber was danach passiert, bricht uns das Herz. So viele Babys, die allein und verlassen halb tot im Sand rumliegen, die leidend und wehklagend nach ihren Müttern rufen. Diese Schreie gehen durch Mark und Bein. Das kann niemanden mit auch nur ein bisschen Herz kalt lassen. Natürliche Selektion hin oder her.

Auf dem Infozettel, den wir bekommen haben, steht, dass rund ein Drittel der Babys nicht das Erwachsenenalter erreichen wird. Wir sind entsetzt. „Eins“ und „Zwei“ – ihr werdet leben. „Drei“ – du nicht. „Vier“ und „Fünf“ – ihr werdet auch leben. „Sechs“ – du leider nicht. Und so weiter…

Als eins der Babys auf mich zurobbt, stehen bleibt und mich mit traurigen Augen anschaut, wünsche ich mir nichts mehr als das ich ihm helfen könnte. Eben lag es noch in einer bizzarren Position im Sand, so dass ich dachte, es wäre schon tot. Und nun blickt es mich mit sandverkrusteten Augen an und wartet. Hätte ich den Zettel schon vorher komplett durchgelesen, hätte ich lesen können, dass Mütter ihre Jungen manchmal tagelang allein lassen um auf Nahrungssuche zu gehen. Sie finden ihr Junges mittels ihrer Rufe wieder. Jede Robbe hat ihren eigen Ruf. Zu wissen, dass von diesem Robbenbaby vor mir die Mutter vielleicht gerade etwas zu Futtern auftreibt, hätte mich ein bisschen trösten können. Aber wer weiß es schon? Hier liegen so viele Jungtiere rum. Bei keinem ist die Mutter da. Die liegen fast alle nahe am Wasser. Unterstützendes säugen gibt es bei Robben nicht. Jede Mutter stillt nur ihr eigenes Baby. Fast ein ganzes Jahr lang. Bereist ab dem 4. Monat können sie aber auch schon feste Nahrung zu sich nehmen.

Nächstenliebe.

Auch wenn es nicht so aussieht – noch lebt dieses arme Kerlchen

Bullen sehen wir übrigens keine. Sie sind hauptsächlich Mitte Oktober zur Paarungszeit da. In der Zeit machen sie „ihrem“ Harem den Hof, besetzen Reviere und verteidigen es gegen Rivalen. Das ganze nimmt sie so sehr ein, dass sie wochenlang keine Nahrung zu sich nehmen können, weshalb sie vor der Paarungszeit so viel Gewicht zunehmen, dass sie doppelt so schwer wie sonst sind. In Zahlen: bis zu 360kg! Die Weibchen wiegen nur rund 75kg. Und obwohl sie so plump aussehen, sind die Zwergrobben, auch Seelöwen genannt, ziemlich schnell auf dem Land unterwegs. Laut Wikipedia können sie sogar in unebenem Gelände einem laufenden Menschen entkommen. Nicht schlecht!

Ab ins Meer!

Wer kann sich sonst noch mit den Füßen an der Nase kratzen?

Entspannt.

Wir verbringen fast eine ganze Stunde bei den Robben bevor wir wieder aufbrechen. An den Geruch kann man sich zwar nicht gewöhnen, aber zum Glück schaltet das Gehirn irgendwann einen Filter ein und man nimmt ihn nicht mehr so streng wahr 😉 Unsere Maleranzüge haben uns übrigens wirklich geholfen 😛 Und noch eine Anmerkung: natürlich sind wir nicht mitten durch die Kolonie durchgelaufen. Wir haben uns am Rand aufgehalten und dank Teleobjektiven gelingen auch Aufnahmen ohne ihnen zu nahe zu kommen. Nun sind aber gerade am Rand die Jungen, die verletzt oder schwach sind. Aus dem Grund sind viele Fotos entstanden, in denen die Robbenbabys einen etwas mitleidenserregenden Eindruck machen. Trotzdem sind wir froh, dass wir überhaupt die Chance hatten den süßen Nachwuchs sehen zu können!

Es ist nun schon 12 Uhr und wir haben noch den Weg zur Spitzkoppe vor uns. Aber darüber berichten wir morgen! Eins vorweg: der Campingplatz vor Ort gehört mit zu unseren schönsten in Namibia und die Landschaft drumherum ist einfach nur überwältigend und gehört mit zu den schönsten Plätzen auf Erden, die wir bisher gesehen haben 😀

Menü