Weltreise Tagebuch

#139 Auf der Spuren der San

Nadine

29. Dezember 2018

Wir treffen auf die uralte Kultur des San Volkes und machen uns mit zwei ihrer Jägern auf die Pirsch durch den Busch. Aber nicht um Tiere zu erlegen, sondern um sie zu beobachten. Die San sind echte Überlebenskünstler und besitzen einen riesigen Wissensschatz über die Natur- und Tierwelt ihrer Heimat. Einen kleinen Einblick darin werden wir heute bekommen 🙂

Der ein oder andere kennt das Volk der San vielleicht aus dem Film „Die Götter müssen verrückt sein“ oder auch aus der ein oder anderen Doku. Das auffälligste an ihnen ist ihre Sprache. Man kann sie aus allen Sprachen der Welt heraushören! Warum? Es sind die Klick- und Schnalzlaute (hier reinhören), die sie so unverkennbar und total faszinierend macht. Wir Europäer sind irgendwie nicht in der Lage diese Klicklaute nachzumachen 😛 Die San sind außerdem unglaublich drahtige und kleine Menschen. Sie haben gerade einmal meine Größe (1,54m), viele sind sogar kleiner. Ihre Haare tragen sie zumeist kurz oder sehr kurz in kleinen schwarzen Knötchen (auch die Frauen) und die Bekleidung ist wirklich sehr sehr spärlich. Oben rum eigentlich nichts, außer manchmal einer Art Umhang aus Tierhaut. Unten rum einen gewickelten Lendenschurz, der nur das Allernötigste bedeckt hält. Bei den Frauen sieht es ähnlich aus, nur dass sie eine Art Rock tragen. Um den Hals liegt manchmal eine Kette aus fein säuberlich aneinander gereihten weißen Plättchen aus der Schale eines Straußeneis.

So dürft ihr euch die traditionell lebenden San vorstellen. Die wenigsten leben so. Dank jahrelanger Benachteiligung und Einschränkungen seitens der Regierung, geht es den San eher schlecht als gut. Ihre Perspektiven sehen mieserabel aus, eine Infrastruktur ist kaum vorhanden, die allerwenigsten bekommen einen Job und das Ausleben ihrer Traditionen – besonders die des Jagens – ist fast überall im Land verboten. Nur hier in der Nähe von Tsumkwe hat man ihnen eingeräumt unter bestimmten Bedinungen jagen zu dürfen. Ursprünglich waren alle San Jäger und Sammler und konnten selbst im lebensfeindlichen Busch Nahrung und Wasser finden. Sie nahmen nie zu viel von der Natur und waren immer darauf bedacht auch an die Zukunft zu denken. Seit Jahren allerdings verschwindet ihr Wissen und ihre Tradition – wie sollte es auch anders sein bei so viel Benachteiligung? Übrigens: die Trophäenjagd für Touristen wird gefördert, denn das bringt viel Geld ein, aber wehe es geht um die reine Selbstversorgung der Ureinwohner :-/

Aber es gibt einen Lichtblick 🙂 Es sind die sogenannten „Living Museums“, die es an verschiedenen Orten in ganz Namibia gibt und jedes einzelne von ihnen wird von einem bestimmten Volk (Herero, Himba, San etc.) betrieben. Hier dürfen sie Touristen ihre Kultur vorstellen. In traditioneller Kleidung in traditionellen Dörfern. Seien es Tänze, ihre Handwerkskünste, ihre Sprache oder sogar echte Hochzeitszeremonien. Oder man kann mit ihnen – wie es bei den San möglich ist – auf Jagd gehen. Oder auf Spurensuche. Dabei ist immer jemand, der auf Englisch übersetzt und erklärt. Die Stiftung, die hinter den „Lebenden Museen“ steckt, verfolgt sehr erstrebenswerte Ziele. Sie wollen die Armut bekämpfen, in dem sie den Menschen eine Arbeit anbieten, bei der sie sich durch den Tourismus eine kleine Einnahmequelle sichern können. Durch das Interesse der Touristen werden die Traditionen und die Kultur wieder mehr gelebt und auch an die jüngere Generation weitergegeben. Das Wissen der Völker wird so vor dem endgültigen Verschwinden bewahrt. Also wirklich ein großartiges und unterstützenswertes Konzept.

Nun geht es aber los mit unserem Besuch beim Little Hunters Museum der Ju/`Hoansi, wie die San sich hier nennen 🙂

Schon bei der Namensvorstellung der beiden Jäger wirds kompliziert. Der ältere von beiden hat in seinem Namen einen der berühmten Klicklaute. Da sind wir raus. Wir lachen herzlich und ihm ist natürlich auch klar, dass wir seinen Namen nie richtig aussprechen könnten. Immerhin der Name des jüngeren Jägers ist leichter: Dam. Der dritte im Bunde, der Übersetzer, hatte sich einen westlichen Namen gegeben. Aber den haben wir leider vergessen (wir Namenshelden :-/ ). Nennen wir ihn der Einfachheit halber John. John ist selber auch San und ebenfalls Jäger, nur heute in der Funktion des Übersetzers und dazu noch einer der richtig gut Englisch spricht. Sogar ein paar Wörte auf Deutsch weiß er. Mistkäfer kennt er zum Beispiel 😛 Die treffen wir direkt am Anfang. Wenn die großen Käfer durch die Luft fliegen, klingt es wie ein kleiner Helikopter. Wirklich wahr. Ihren Namen haben sie bekommen, da sie aus dem Dung von Tieren – am liebsten aus Elefantendung – große Kugeln rollen, die sie dann entweder für ihren Nachwuchs als Bruthöhle und Nahrungsmittel verwenden oder für sich selbst als Nahrungsquelle. Dabei sind die Kugeln oft dreimal oder viermal so groß wie sie selbst. Mit den Hinterbeinen rollen sie ihre Kugel von den Artgenossen weg, die auch gerne mal eine fremde Kugel klauen. Auch sehen wir feuerrote winzige Käfer, die fast schon aussehen wir Mikroben unterm Mikroskop. Und Tausendfüßler krabbeln auch immer wieder vorbei.

Dung Beetle = Mistkäfer

Ein Tausendfüßler verspeist einen frisch gewachsenen Pilz

Winzige kleine feuerrote Käfer

Noch so ein Füßler 🙂

Wir folgen weiter den beiden Jägern vor uns und bewundern, wie der jüngere von beiden mit bloßen Füßen über die pieksigen Pflanzen läuft. Während wir gerne mal mit den Klamotten an irgendwelchen Dornen hängenbleiben oder uns ein paar Kratzer an den Beinen zuziehen, scheinen die San die Dornen nicht mal zu merken. Na gut, sie können ihnen einfach besser ausweichen 😉 Ab und zu bleiben wir stehen und bekommen dann erklärt von welchem Tier diese und jene Kotkügelchen sind und wie alt sie sind, oder welche Spuren gerade vor uns sind und ob sie von einem Männchen oder Weibchen sind und ob sie von den Vorder- oder Hinterbeinen stammen. Faszinierend! Keine der Spuren ist allerdings frisch. Da es gestern geregnet hat, sind die frischen Spuren alle wie weggewischt. Wir spüren, dass die San uns gerne mehr zeigen würden. Vorallem natürlich die Tiere. Aber die Zeit ist aktuell etwas ungünstig.

Dam, der jüngere Jäger (24 Jahre)

Der ältere Jäger (42 Jahre) mit dem komplizierten Namen

Traditionelle Tracht der San

Und auch wenn wir keine großen Tiere sehen, so ist es unglaublich spannend zu erfahren, aus welchen Blättern, Wurzeln oder Knollen sie Essen oder Medizin zubereiten. Die Aloe Pflanze z.B. nutzen sie bei Verbrennungen. Wir erzählen ihnen, dass wir eine After-Sun Creme mit Aloe benutzen damit der Sonnenbrand abgemildert wird. So schließt sich der Kreis zwischen Tradition und Moderne 🙂 Natürlich kennen sie auch Gifte und Gegengifte von Pflanzensekreten oder Tieren. Sie selber nutzen ein starkes Gift, dass sie auf ihre Pfeile schmieren und damit auf Jagd gehen. Die getroffenen Tiere werden davon sehr schnell schwach und die San folgen ihnen einfach, bis das Gift sie zu Fall gebracht hat. Da auch Schlangen hier ein Thema sind, kennen sie – zum Glück – auch die Gegengifte. Sollte wir also auf eine tödliche Schwarze Mamba treffen, hätten die San gleich das richtige Mittel zur Hand. Gut zu wissen 🙂

Weiter geht es mit einem Highlight. Nämlich der Frage, wie sie zur Trockenzeit Wasser finden. Das demonstrieren sie dann auch keine 10 Minuten später. Wir stoppen an einem Busch und John erzählt uns, dass unter der Erde eine Frucht liegt, die ganz viel Wasser speichert. Sie sammelt das Wasser über viele Monate und nach 3-4 Jahren ist sie prall gefüllt. Neben den San graben übrigens auch Elefanten nach der Frucht.

Der ältere Jäger fängt an mit seinen Händen die Erde wegzuschaufeln. Er gräbt wirklich tief bis er auf die Wasserfrucht stößt. Behutsam löst er sie von der Pflanze und präsentiert uns eine kopfgroße beigefarbene Frucht, die aussieht wie eine übergroße Kartoffel. Das Wurzelende setzt er wieder in die Erde und buddelt wieder alles zu, damit die nächste Frucht heranwachsen kann. Er entfernt mit einem kurzen Stück Ast die Erde von der Fruchtschale und schneidet sie dann auf. Darin ist ein weißes, faseriges Fruchtfleisch. John überreicht uns ein Stück zum Probieren. Naja, wir geben zu, es schmeckt einerseits nach Nichts und andererseits auch doch nach etwas. Auf jeden Fall nicht besonders lecker 😛 Aber definitiv wässrig. Und in der Wüste nimmt man alles dankbar an! John zeigt uns noch wie man ganz einfach an das pure Wasser der Frucht kommt:

Nach viel Handarbeit, gibt es eine Wasserfrucht als Belohnung

Erst wird die Frucht gesäubert…

…und schließlich von der Schale befreit

John, der Dolmetscher, zeigt uns wie man an das Wasser kommt 🙂

John zeigt uns eine Art Kartoffel

Während den San die Frucht gut schmeckt, trinken wir lieber unser Flaschenwasser 😉

Wir kehren wieder zurück zum Ausgangspunkt. Die Buschwanderung ist aber noch nicht vorbei. Am Nachmittag gehen wir noch einmal los. Jetzt aber ist Mittagshitze und wir sollen erst mal ausruhen, etwas essen und zur Ruhe kommen. Die Jäger hoffen, dass wir nachmittags mehr Glück mit der Tiersichtung haben.

Praktischerweise ist an das Living Museum ein kleiner minimalistischer Campingplatz angeschlossen, der dazu noch unfassbar günstig ist. Es gibt Toiletten und sogar eine Outdoor Dusche zum Selberfüllen. Wir wollten eigentlich ein Foto davon machen, haben es aber leider total vergessen 🙁 Auf jeden Fall wissen wir nun, dass wir beim Duschen mit 5l pro Person auskommen können.

Um 15 Uhr treffen wir uns wieder mit den drei Männern und fahren diesmal ein Stück mit unserem Mietwagen durch den Busch. John erzählt uns, dass wir zu einem Wasserloch laufen werden und dort hoffentlich die Chance haben Tiere zu beobachten. Auf dem Weg dahin sehen wir wieder jede Menge Tierspuren. Auch die von einem Elefantenbullen. Sie sind so tief, dass das Regenwasser noch darin steht. Und endlich finden wir ein Tier: eine Landschildkröte! Seit meiner Kindheit sind Schildkröten meine Lieblingstiere und zum ersten Mal sehe ich ein freilebendes Exemplar! 😀 Was für ein schönes Geschenk!

Die erste wilde Landschildkröte, die wir beide gesehen haben 🙂

Süüüüß finde ich 🙂

Weiter auf Spurensuche

Die San sprechen zu hören ist absolut faszinierend 😀

Wir umrunden ein ziemlich ausgetrocknetes weitläufiges Wasserloch, aber bis auf ein paar Vögel gibt es nichts zu sehen. Traurig sind wir deshalb aber nicht. Allein schon die San kennenlernen zu dürfen ist Erlebnis genug. Und die Landschaft ist durchaus auch ein nicht von schlechten Eltern 😉 Nur die Hitze hat uns zum Schluss ein bisschen mürbe gemacht und nach 2 Stunden sind wir wirklich froh, als wir endlich am Auto ankommen. Hach, so eine Klimaanlage ist einfach genial 😀

Ein Wolken- und Grasmeer fernab von Zivilisation

Auf dem Rückweg mit den San

Die Wolken kündigen es schon an: Gewitter und Regen folgen in der Nacht

Zum Schluss fragen wir noch was sich die Jäger für die Zukunft wünschen. Sie antworten, dass sie gerne weiter als Jäger für das Living Museum arbeiten wollen und sie den Besuchern ihre Heimat zeigen möchten. Dam, der jüngere Jäger, ergänzt, dass er gerne andere ausbilden möchte. Im Spurensuchen und wie man sich im Busch zurechtfindet. Alle drei freuen sich, dass wir ihre Gäste waren und so wie sie es sagen, fühlt es sich wirklich aufrichtig und ehrlich an. Das ist wirklich schön. Wir sind auch sehr dankbar, dass wir hierher kommen durften. Die Erfahrung war unglaublich und wir können nur jedem empfehlen, so ein Living Museum zu besuchen. Die Aktivitäten sind wirklich nicht teuer, man unterstützt die alten traditionsreichen Völker, lernt selber viel Neues kennen und ermöglicht den Menschen mit Stolz ihre Kultur zeigen zu können und eine Perspektive zu haben. Für jeden ist etwas dabei. Ob nun eine Buschwanderung, das Fertigen von Pfeil und Bogen oder Schmuck aus Naturalien, oder Lagerfeuergeschichten, oder einen Tanz erlernen, kochen oder oder oder. Man kann sogar drei Tage oder noch länger mit ihnen leben und in ihren Alltag eintauchen.

Gerne wären wir auch länger geblieben, aber die nächsten Tage waren nur noch starke Regenfälle angekündigt und unser nächstes Ziel, die Durchquerung des sehr einsamen Khaudum Nationalparks, können wir leider nicht in Angriff nehmen. Jenen Nationalpark darf man normalerweise nur mit mindestens zwei Allradfahrzeugen durchqueren um sich Notfalls gegenseitig aus tiefen Löchern, Schlamm etc. ziehen zu können. Denn auf Hilfe von außen kann man nicht hoffen. Hier herrscht absolute Einsamkeit. Dafür erwartet einen eine nahezu unberührte Landschaft und eine spannende Tierwelt. Besonders Carsten hatte sich darauf gefreut, aber so ist es eben mit dem Wetter 😉 So können wir uns mit der Bevölkerung und den Tieren freuen, denn sie warten schon sehr lange auf den Regen 🙂 Und das ist doch auch schön!

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