Weltreise Tagebuch
#23 Das Mekongdelta – ein Highlight?
Carsten
24.-25. Januar 2018

Can Tho, unsere erste Stadt in Vietnam bietet uns gleich ein Highlight des Landes. Eine Bootstour auf dem Mekong. Große schwimmende Märkte, naturbelassene Seitenarme und tolle Besichtigungen an Land. Laut Reiseführer und Tourismusbranche ein echtes „Must see!“ – oder?

Endlich liegen wir in Can Tho im Bett und sind viel zu müde um für den nächsten Tag noch etwas zu organisieren, geschweige denn gleich wieder um vier Uhr morgens aufzustehen. Denn wir wollen den Mekong bei Sonnenaufgang erleben. Und noch den großen Cai Rai und kleinen Phong Dien Floating Market besuchen.

Die schwimmenden Märkte sollen aus ganz vielen Booten bestehen und regen Handel auf dem Wasser betreiben. Wir haben soviel Schönes über das Mekongdelta gelesen und wollen eben auch das ganze tolle Erlebnis mit einem kleinen Boot und persönlichem Guide toppen. Also erst noch einen Tag etwas ausruhen, durch Can Tho schlendern, am Mekong die Weite geniessen und das Überqueren von Straßen weiter üben, möglichst unverletzt 😉 Der Verkehr in Vietnam ist nochmal eine Spur härter als in Thailand und Kambodscha. Unfassbar viele Mopeds, die jeden Zentimeter nutzen, inklusive Bürgersteig und Gegenfahrbahn. Sie kommen aus allen Richtungen, unglaublich 😉 Der Innenstadtverkehr gleicht einem Ameisenhaufen aus Mopeds, in dem Autos und Fußgänger störende Fremdkörper sind. Am Nachmittag reicht es uns dann auch mit Verkehr und Lärm, beenden das Bummeln und machen uns auf den Rückweg. Wir überlegen trotzdem noch einen Tag zu verlängern, um etwas mehr Zeit zu haben, aber dafür taugt unser Zimmer nicht und nochmals umziehen innerhalb Can Thos wollen wir auch nicht. Natürlich müssen wir uns an diesem Tag auch noch um die Weiterfahrt nach Saigon, das eigentlich Ho-Chi-Minh-Stadt heisst, und die nächste (möglichst schimmelfreie) Unterkunft organisieren. Das langsame brüchige Internet kostet Zeit und so geht auch der Nachmittag schnell rum. Ergebnis: Erste Busfahrt mit Liegesitzen, ein sogenannter Sleeper (mal schauen ob ich da hinein passe) und ein Doppelzimmer im sehr gut bewerteten Fullhouse Hostel im Backpackerviertel von Saigon sind gebucht. Gute Bewertungen sind, wie wir gelernt haben, kein Garant, aber unser nächstes Hostel soll neu sein. Das macht doch Hoffnung auf Schimmelfreiheit.

Gebratene Bananen, an Nachschub mangelt es nicht

Flaniermeile am Mekong

Etwas ausserhalb, quasi ohne Verkehr 🙂

Ein bequemes Plätzchen, nicht nur für Katzen

Für den uns bleibenden Abreisetag buchen wir im Hotel ein Boot samt Bootsführer und Guide für die Befahrung des Mekongdeltas. Start 4.30 Uhr morgens!
Wir gehen früh ins Bett und werden hupend und lärmend in den Schlaf begleitet. Das gleiche Konzert weckt uns, müde stehen wir auf und freuen uns auf das Mekong-Erlebnis.
Unser Guide Hippy wartet pünktlich und englisch sprechend in unserer Hotellobby. Hip sei ein Teil seines Namens und Hippy sein Spitzname. Wir haben einen kurzen Weg zur Anlegestelle und trotz der frühen Stunde ist es schon trubelig. Viele Traveller und Bootsbesitzer bevölkern das Ufer. Wir steigen in das kleine Boot zu unserem „Kapitän“. Der legt ab und schippert mit uns durch die Dunkelheit. Wir verlassen auf dem Mekong die städtische Bebauung und langsam wird es heller. Leider verdirbt uns die meist dichte Bewölkung den Sonnenaufgang 🙁 Zwar knallt dafür die Sonne nicht, aber das hätten wir gerne in Kauf genommen. So bleibt es die meiste Zeit grau. Deutlich grauer allerdings schaut wohl der Alltag der Bewohner des Mekongufers aus. Die Armut, die wir hier zu Gesicht bekommen, ist wirklich bitter. Die Erfolgsgeschichte der Stadt Can Tho (Industriezentrum und Drehscheibe des Mekongdeltas) hat ihre Grenze und die bekommen wir hier ungeschminkt zu sehen.

Wir fahren mit ruhigem Tempo und immer wieder bekommt die Antriebsschraube im Flusswasser Kunstoff zu fassen und blockiert. Motor aus, Schraube von Tüten oder Plastikbändern befreien und weiter geht es.

Hippy, studiert Englisch und Tourismus, ist bemüht uns zu unterhalten und da die Fahrt recht lang ist spielt er uns auf seinen iPhone traditionelle vietnamesische Musik vor. Das passt sehr gut zur ganzen Atmosphäre und wir geniessen die ruhige Fahrt. Als wir zum großen Cai Rai Floating Market kommen, scheinen sich dort mehr Touristenboote als Handelsschiffe zu befinden. Auf den Schiffen wird Großhandel betrieben. Es soll hier gekauft und verkauft werden, geliefert wird dann später zum vereinbarten Ort. Genau genommen habe ich nur ein Käuferboot gesehen, welches der Beschreibung eines Käuferbootes unseres Guide entsprach. Es seien die kleinen Boote mit einzelnen Menschen drauf, die viel Geld haben 🙂 Wir sind etwas enttäuscht. Diesen Markt haben wir uns wesentlich größer und aktiver vorgestellt. Irgendwie haben wir das Gefühl, dass entweder schon alles gelaufen ist oder ganz woanders gehandelt wird. In den Beschreibungen der angebotenen Tour klingt es jedenfalls beeindruckender.

In der Morgendämmerung beim Cai Rai Floating Market

Alltag der Händler

Beindruckend sind wieder einmal die einfachen Verhältnisse in denen die Händler auf ihren Booten leben. Am Heck der Boote gibt es eine kleine überhängende Ecke. Sie ist die Toilette und wenn man sich hinter den Holzbrettern ganz klein macht, wird man beim „Geschäft“ auch kaum gesehen und alles fällt ins Wasser. Als Wetterschutz dienen Planen und ich möchte mir gar nicht vorstellen wie es in der Regenzeit oder generell bei stärkeren Regenfällen ausschaut. Hoffentlich wird dann eine Pumpe dafür sorgen den Innenraum zu entwässern. Bei kleinen Booten habe ich schon mehrfach gesehen, wie mit kleinen Gefäßen Wasser aus dem Boot geschöpft wurde. Sie scheinen teilweise undicht zu sein und ganz ehrlich, bei manchen frage ich mich weshalb sie überhaupt noch schwimmen.

Zum Frühstück haben wir uns eine Ananas aushandeln können, die unser Kapitän organisiert und für uns schält. Wir essen die Ananas und sehen, dass es auch auf den anderen Ausflugsbooten Ananas zum Frühstück gibt 🙂 Einige haben noch Kopfschmuck aus Palmenblättern auf dem Kopf – wir wurden verschont 😉
Weiter geht es zum kleinen Floating Market Phong Dien, zu dem die größeren Ausflugsboote angeblich nicht fahren, weil dieser zu eng ist und kein Durchkommen möglich ist. Dies war auch mit ein Grund für uns die sieben Stunden Tour mit einem kleinem Boot zu buchen. Es muß schon ein tolles Erlebnis sein durch eine unüberschaubare Menge an kleinen Marktbooten gesteuert zu werden. Ist es sicher auch, nur nicht an diesem Tag, denn auch dieser Markt war sehr sehr überschaubar. Mehr Touristen als Händler und so werden wir ein wenig enttäuscht. Es ist schon interessant zwischen den Booten hindurch zu fahren und sie von Nahem zu sehen, doch aufgrund der vielen, uns eingeschlossenen Touristen, fühlen wir uns etwas unwohl zwischen den wenigen Einheimischen. Auch wenn Hippy meint, wir könnten ruhig alle Händler problemlos fotografieren, sie seien es gewöhnt, so bleiben wir doch etwas zaghaft. Wir würden lieber unbemerkter bleiben und natürliche Situationen mit unseren Kameras festhalten.

Bei den folgenden vier Programmpunkten fasse ich mich mal kurz… 😉
– Kleine schmale einsame Seitenarme des Mekongs…leider nicht so ganz einsam, sondern immer wieder mit kleinen Hütten bebaut. Wir hatten es uns weniger besiedelt vorgestellt, quasi eine Tour durch den Dschungel.
– Spaziergang durch ein authentisches Dorf…eher eine Ansammlung von Vorzeigevorortshäuschen am Flußufer. Die Mehrheit der Vietnamesen lebt sicher in ärmeren Bedingungen.
– Die Besichtigung einer kleinen Reisnudelfabrik…die Reismehl aus China verwertet und wohl nur eine Showfabrik zu sein scheint, die Eintrittsgeld bekommt und jede Menge Andenken und Snacks zu überhöhten Preisen anbietet.
– Und dann wäre da noch die Früchte-Farm. Bei einem kurzen Spaziergang durch den größeren, aber überschaubaren Garten entdeckten wir ganze zwei Sorten Obst die dort angebaut werden. Bei der Verkostung gab es dann doch noch mehr Früchte (vier ;-), aber bei den Menschenmassen die dort täglich hingebracht werden, kann es sich nur um zugekauftes Obst handeln.

Über diese Brücke kannst du gehen

Behütet beim Landgang

Nadine und der Reisnudelteig

Vermessungsarbeiten im Fruitgarden

Dann geht es wieder zurück nach Can Tho und Hippy hat noch eine Überraschung für uns bereit.
Er holt ein gold-glitzerndes Karaoke-Mikrofon mit eingebautem Minilautsprecher heraus und singt für uns Celine Dions Welthit „My heart will go on“. Karaoke ist Vietnams Freizeitspass Nummer 1 erklärt er uns und hat sichtlich Spaß daran. Abgefahren und auch wir haben Spaß an seiner Darbietung 🙂

Wir sind um 11.30 Uhr wie gewünscht zurück in Can Tho und etwas irritiert. Das war also die große Tour durch das sagenumwobene Mekongdelta? Es war schön, es war nett, aber ein paar echtes Highlight? Eher aufschlußreich und ernüchternd im Ganzen. Die Floating-Markets haben wir uns deutlich größer und betriebsamer vorgestellt und die Seitenarme des Mekong, die wir befahren haben, sind nicht so natürlich und einsam wie erhofft. Den Einblick in ein typisch vietnamesisches Dorf bezweifele ich und die Zusatzpunkte Früchte-Farm und Reisnudelherstellung sind reine Touriveranstaltungen mit wenig Charme und Authentizität. Schade, es klang in der Tourbeschreibung deutlich anders.
Trotzdem haben wir auch dort etwas mitnehmen können. Erstens: Saures Obst schmeckt mit einem Salz/Chiligemisch besser 😉 Zweitens: Reisnudelteig verarbeiten ist eine feinfühlige Angelegenheit.

Fazit der Mekongdelta-Tour: Ganz so schlecht, wie es vielleicht klingt war es nicht. Es war schön mit Hippys Begleitung auf dem Mekong zu fahren und das kleine Boot war die richtige Wahl. Die Größeren fahren schneller und bieten viel weniger Raum für persönliche Wünsche, z.B. was Fotografieren angeht und sind halt weniger kuschelig. Den Einblick, den wir in die Lebensweise der auf den Booten lebenden Händler und Flussuferbewohner bekommen haben, hat uns beeindruckt wie auch traurig gemacht. Auch wenn wir uns den Ausflug anders vorgestellt haben, sind wir doch froh ihn gemacht zu haben.

Zurück im Hotel heisst es nochmals duschen und Sachen packen bevor wir unsere Weiterreise nach Saigon antreten. Wir sind zeitig dran und können noch ein wenig mit dem Hotelier plaudern.
Er fährt mich noch kurz mit seinem Roller zum Bäcker und ich bekomme tatsächlich das Baguette zum Einheimischen Preis. Was solch eine Begleitung doch ausmacht. 😉 Denn auch hier in Vietnam scheint es überall dort, wo „reiche“ Touristen unterwegs sind, zwei Preislisten zu geben – selbst bei Alltagsprodukten. Auf den wenigsten Produkten stehen Preise, der Verkäufer legt den Preis spontan fest 😉 Das kennen wir ja schon aus Kambodscha.

Ein Tipp für dich, wenn du überlegst nach Can Tho zu reisen, um den Mekong zu befahren. Geh morgens um fünf Uhr zum Mekongufer und teile dir mit bis zu fünf Leuten ein Boot für insgesamt ca. 20,00€ für 3-4 Stunden und mach die kleine Runde mit Rai Chai Market, aber ohne Schickschnack. Wir haben für uns beide 42,00€ zzgl. Trinkgeld bezahlt und denken das war es nicht wert. Vielleicht auch, weil wir nicht so die typischen Pauschaltouristen sind und öfter mal genauer hinschauen, was uns so geboten wird. Und für den Fall, dass Du nicht nach Can Tho kommst: auch von Saigon aus werden verschieden lange Touren ins Mekongdelta angeboten. Die Bootsfahrt an sich ist nämlich schön und der Mekong mit seinen Bewohnern beeindruckend 😉

Für uns geht es jetzt im Sleeperbus nach Saigon!

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