Weltreise Tagebuch

#24 Saigon

Nadine

25. – 26. Januar 2018

Wir rechnen mit exzessivem Chaos, reißenden Strömen aus Motorradfahrern und wilden Huporgien. Immerhin besuchen wir die größte Stadt Vietnams und laut Reiseführer kann man sich auf eine der dynamischsten Städte Asiens gefasst machen. Wie werden wir uns hier als Ruheliebhaber und Landeier durchschlagen?

Eben noch auf dem Mekongdelta rumgeschippert und nun schon im knallorangroten FUTA Bus unterwegs zur größten Stadt Vietnams. Während Carsten sich in der Kunst des Selbstorigamis übt (mehr schlecht als recht 😉 ) kann ich meine volle „Länge“ entfalten 😛 Wir fahren nämlich zum ersten Mal mit dem Sleeper Bus, in dem es keine „normalen“ Sitze in aufrechter Position sondern in fast liegender Position gibt. Diese sind ziemlich gut an die Normlänge der Vietnamesen angepasst. Also so etwa bis zu 170cm. 😛 Während ich den großzügigen Platz genieße, habe ich doch Mitleid mit Carsten, dessen Beine irgendwie seitlich aus dem Sitz überlappen.

Füße am Anschlag, langgestreckt liegen ist anders.

In knapp vier Stunden sollen wir am frühen Abend ankommen. Bis dahin dürfen wir die berühmt und vorallem berüchtigte Fahrweise der Busfahrer bewundern oder besser besorgt beobachten. Busse sind die absoluten Könige der Straße und fahren großspurig fast ausschließlich auf der linken Seite. Motorräder, Autos und LKWs werden unter Dauer-Hupen-Einsatz zur Seite geblasen. Kommt ein Motorradfahrer von vorne, darf der nur noch ganz am Rand fahren, will er nicht Kontakt zur Windschutzscheibe haben. Kommt ein Auto von vorne, müssen die rechts Überholten dem Bus Platz machen, damit der Gegenverkehr durch kann. Dies wird natürlich genauso mit energischem Hupen eingefordert.

Neben dem „normalen“ Hupengeräusch, wie wir es in Europa kennen, kommen hier noch laut trötente Schiffshörner und Hupen, die im Echoeffekt aufhellen dazu. Genug der Huperei – wir überleben. Und die Busfahrt ist angenehmer als gedacht – besonders wenn man nicht nach vorne aus der Windschutzscheibe schaut 😉
Wir kommen am Busbahnhof in Saigon an und erfahren, dass es einen Linienbus zum Distrikt 1 gibt, wo auch unser Hostel auf uns wartet. Wir sparen uns nervenaufreibende Preisfeilscherei mit den wartenden Taxis und fahren für sage und schreibe 5000 Dong (18Cent!!) pro Person eine dreiviertel Stunde quer durch Saigon, was offiziell Hoh-Chi-Minh-Stadt heißt, aber von fast allen immer noch Saigon genannt wird. Ist eben kürzer 😛

5000 Dong = 18 Cent

Soo viel Gepäck 😉

Neben dem Busfahrer gibt es in Asien oft noch einen Busschaffner, der nach dem Einsteigen der Passagiere die Tickets ausstellt und dafür Sorge trägt, dass alle an der richtigen Stelle wieder aussteigen und das Gepäck gut verstaut wird. Obwohl uns der Schaffner nie gefragt hat, wo wir genau aussteigen wollen gibt er uns irgendwann ein Zeichen. Auch eine ältere Passagierin lächelt uns zu und nickt zum Ausgang. Okay, scheinbar steht auf unserer Stirn unser neues Hostel geschrieben ^^ Und es funktioniert! Nach ein bisschen Suchen finden wir ein Labyrinth aus engen Gassen, wo uns knallgelbe Schilder den Weg zum Hostel führen. Wir fühlen uns wie in einer Stadt in der Stadt. In diesen engen Gassen, die zwischen 0,8 und 1,7 Metern breit sind, klebt ein Haus am anderen und die Türen der Einheimischen sind immer offen und gewähren uns einen Blick in den Alltag der Städter. Das Leben spielt sich hier draußen ab und die Gassen sind gefüllt mit Händlern, Köchen, Plastikstühlchen, Masseuren und vielen mehr. Und natürlich fahren selbst hier noch die Roller durch. Wir staunen wie verrückt 🙂

Alltag auf der Straße

Nur der hier gehört wohl woanders hin…

Unser Hostel ist ein ein frisch renoviertes Gebäude mit superengen Zimmern, die aber perfekt mit dem Platzmangel umgehen und mit tollen Tricks doch mehr Raum schaffen als zuerst gedacht. Das Beste ist aber: es ist schimmelfrei und super sauber! Wir fühlen uns sofort wohl.

Carsten freut sich über Schimmelfreiheit

Mit dem Rücken zur Wand und dem Objektiv zum Himmel – unser Hostel 🙂

Gegenüber vom Waschbecken hängt noch der Duschkopf, mehr Platz ist nicht 😉

Nach dem Abendessen in einem nur drei Minuten entfernten veganen Restaurant buchen wir für den nächsten Tag eine Gruppentour zu den berühmten Cu Chi Tunneln (sprich: Kuu Tschii). Dieses Tunnelsystem diente den Partisanen im Krieg – besonders im Krieg gegen die USA – als Unterschlupf. Diese Stadt unter der Stadt wurde zu einem riesigem System ausgebaut, wo es neben Schlafräumen auch Lazarette, Schulen, Kochräume uvm. gab. Die Gesamtlänge beträgt unfassbare 220km und verteilt sich auf drei Ebenen, die unterste liegt 8-10 Meter unter der Erde.
Die unterirdischen Gebäude waren durch Tunnel von ca. 80cm Höhe und 60cm Breite verbunden. Eine Enge die man sich kaum vorstellen kann. Die man aber ansatzweise bei einem Besuch vor Ort erleben kann. Dann aber in für westliche Touristen erweiterte Abschnitte – hier dann mit 120cm Höhe und 80cm Breite. Nichts für breitschultrige Bodybuilder oder bierbäuchige Touristen 😉 Und auch nichts für Klaustrophobiker.

Ausgeklügeltes Tunnelsystem

Fallen für den Gegner

Bevor wir uns durch die Tunnel zwängen erwartet uns eine zweieinhalbstündige Busfahrt mit 24 weiteren Gästen in das 70km entfernte Cu Chi. Die Tunnel sind gut besucht und unser Guide versucht uns in einem Affentempo über das Gelände zu jagen. Er scheint die verzögerte Anfahrt wieder reinholen zu wollen, denn sobald er an einer Station seine Rede gehalten hat beendet er diese mit den Worte: „Now you can make pictures. Move. Follow me.“ Also zu deutsch: „Jetzt könnt ihr Fotos machen. Weiter gehts. Folgt mir.“ Öh wie jetzt? Es bleibt also keine Zeit die gezeigten Dinge näher zu betrachten, denn den Anschluss an die Gruppe will man ja auch nicht verlieren.

Einer der originalen Eingänge

Trittfalle

Türfalle

Noch mehr Fallen..

So rasen wir an Tunneleingängen, Fallen, einem zerstörten amerikanischen Panzer und Nachbildungen des Kriegsalltags vorbei bis wir an einen Schießstand kommen, wo unser Guide eine zehnminütige Pause ansetzt. Hier kann man gegen Extrageld drauflosballern. Geschmacklos. Wir nutzen die Pause und rennen den Weg zurück um ein ausgelassenes Fotomotiv zu erwischen. Als wir nach 9 Minuten zurückkommen ist die Gruppe weg. Super. Wir hetzen weiter und finden zum Glück auch unsere Gruppe wieder. Unser Guide kann entweder nicht zählen oder nicht die Uhrzeit lesen oder beides. Bei dem Gerenne und der schwülheißen Luft sind wir nun ganz schön verschwitzt. Gleich wird es aber noch heißer, denn nun geht es endlich durch einen der Tunnel hindurch. Während Carsten nicht mehr in gebückter Haltung sondern nur noch im Enten-Watschel-Gang hinterherdackelt kann ich locker mit eingezogenem Kopf durch hihi 😉 Weiter gehts im Sauseschritt. Es soll eine Filmvorstellung über die Tunnel folgen. Wir entscheiden uns gegen den Film. Lieber wollen wir in dieser dreiviertel Stunde selber noch einmal über das Gelände streifen. Wir geben unserem Guide Bescheid und peilen als erstes das gut getarnte und berühmte Erdloch an, wo die vielen unzähligen Fotos entstehen.

Demonstration des Schlupflochs

Freie Sicht geht anders

Fast wären wir vorbei gelaufen, aber ein Parkwächter zeigt uns den mit Laub drapierten Deckel zum Schlupfloch. Und juchhu endlich keine Gruppen, die sich davor drängeln. Wir können also in Ruhe fotografieren und ich darf als erstes testen, ob ich reinpasse. Ein beherzter Sprung ins dunkle Loch und schon stehe ich bis Brusthöhe im Erdreich. Den Deckel gegriffen und mit erhobenen Armen überm Kopf zugemacht. Sehen tu ich nun nix mehr aber viel Platz gibt es eh nicht. Auf den Knien sitzend haben so die Soldaten gekauert und dem Feind aufgelauert. Es ist kaum zu glauben. Schnell wieder raus. Es ist superheiß und die Klamotten kleben auf der Haut.

Deckel nehmen…

…Arme heben…

…und in die Knie gehen.

Klappe zu. Nadine drin. Unsichtbar.

Carsten ist nun auch neugierig ob er ebenfalls reinpasst. Ich bewundere seinen Mut sich mit seinen 190cm in dieses Erdloch zu falten. Es ist knapp aber tatsächlich bleibt er nicht an den Schultern stecken und kann sogar mit dem Oberkörper ganz hinein. Knapp, aber passt:

Ui das sieht eng aus bei Carsten

Ein Sprung und drin ist er

Jetzt noch die Schulter eindrücken

Okay, bis hier hin und nicht weiter.

Weiter gehts. Wir finden einen der originalen Eingänge zu den nicht erweiterten Tunneln. Carsten bleibt draußen, da schon der Touristentunnel verdammt eng war für ihn. Ich nehme mein Handy, öffne die Taschenlampen App und gehe die Treppe hinab. Während der Eingang noch recht bequem ist, wird es direkt dahinter richtig richtig eng. Meine Schultern ecken links und rechts und mein Po oben an. Ich krieche bis zu einer T-Kreuzung und entscheide mich diese zu nutzen und meinen Körper um 360 Grad zu drehen und zurück zu gehen. Es gibt kein montiertes Licht hier unten und wer weiß welche Schlangen oder andere Tiere sich hier unten aufhalten. Zwar war dieser Eingang nicht abgesperrt, aber ich bin hier komplett alleine unterwegs und überall stehen da draußen Schilder, dass man in die Tunnel nur mit Guide reindarf. Der kurze Blick hat aber auch schon gereicht. Nun weiß auch ich, wie eng es sich für Carsten vorhin angefühlt haben muss 😉

Wir sind froh, dass wir diese Eindrücke ohne Gruppen und Guide sammeln konnten und kehren zur Filmvorführung zurück. Anschließend treten alle die Heimfahrt an und wir kommen nachmittags in Saigon an. Die Tour zu den Tunneln war sehr interessant und vorallem intensiv. Es lohnt sich, sich davon selbst einen Eindruck zu verschaffen. Wir selbst bleiben beim nächsten Mal wieder bei unserem Brauch alles selbst zu organisieren und nicht in einer geführten Gruppe loszuziehen. Es kostet mehr und ehrlich gesagt haben wir vor Ort nie die Zeit, die wir gerne hätten. So fühlt es sich nur wie ein Abhaken und Durchrennen an.

Morgen geht es schon weiter. Wir wollen wieder mit einem FUTA Bus reisen und freuen uns auf das 1500m hoch gelegene Dalat. Von Saigon haben wir nun nur das Backpacker Viertel kennengelernt. Die engen Gassen gefielen uns total gut und überraschenderweise würden wir sogar noch mal wiederkommen um mehr von der Stadt zu sehen. Es stimmt, es ist laut und voll. Aber es wirkt recht sauber und die Luft ist weniger schlimm als erwartet. Das Queren von Straßen haben wir nun auch ganz gut drauf 😉

Zum Abschluss gibt es noch den Blick von der Dachterasse unseres Hostels:

Fotogalerie

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