Weltreise Tagebuch

#22 Wir reisen nach Vietnam

Carsten

23. Januar 2018

Ein neues Land, neue Sprache, neue Währung und neue Spielregeln. Langgestreckt liegt es am Südchinesischen Meer und grenzt im Südwesten an den Golf von Thailand, an Kambodscha, Laos und China. Laut Reiseführer mit schönen Stränden, tollen Berglandschaften und Unesco Kulturstätten. Vom Mekongdelta im Süden bis hoch in den Norden nach Sapa wollen wir.

Wir wachen noch einmal in Kampot auf. Unser Pickup zum Reisebus ist für vormittags geplant und die Fahrt nach Can Tho in Vietnam soll nur sechs Stunden dauern. Wir kommen also diesmal im Hellen in der neuen Stadt an und haben es leichter uns zu orientieren.

Hotel Ny Ny in Kampot

Nadine auf der echt großen Bank im Foyer.

Wir werden von einem Tuk Tuk abgeholt, das uns zum Büro des Busunternehmens bringt. Dort warten wir ohne weitere Ansage mit anderen Reisenden. Wir kommen mit zwei von ihnen ins Gespräch. Er ist Ex-Soldat aus den USA und reist mit seiner Tochter die Halbvietnamesin ist. Der Krieg, die Liebe und ihre Folgen 🙂
Die beiden reisen mal wieder nach Vietnam und erzählen uns von ihren Grenzerfahrungen bei der Einreise. Sie haben ein Dauervisum und könnten eigentlich problemlos einreisen, wenn es da nicht den US-Ausweis gäbe.
Nach einer halben Stunde geht es in einem Kleinbus weiter in Richtung Grenze nach Ha Tien. Dieser Grenzübergang akzeptiert unser e-Visa und so sollte auch ohne Korruption alles glatt laufen. Nach anderthalb Stunden Fahrzeit kommen wir an der kambodschanisch/vietnamesischen Grenze an und werden von einer jungen Frau in Empfang genommen. Sie bittet uns um unsere Reisepässe und je einen Dollar fürs Visum. Visum haben wir schon, weshalb also zahlen? Weil der Dollar für die Grenzer ist und ohne diesen einen Dollar dauert es angeblich viele Stunden um einreisen zu dürfen. Die Halbvietnamesin bittet mich zu bezahlen. Erstens hätte es früher fünf Dollar gekostet und zweitens kommen wir ohne den Dollar nicht weiter. Also lächeln und zahlen. Unsere Kurierin organisiert unsere Ausreise, wir warten und dürfen dann zu Fuss zum vietnamesischen Einreiseschalter.

Kambodschanisches Grenzgebäude. Außen hui – innen pfui.

Zu Fuß über die vietnamesische Grenze

Gesundheitscheck! Fiebermessen mit einem Ultraschallgerät, welches Werte von 35 bis 37 Grad anzeigt und ein Formular ausfüllen. Das macht dann? Genau, einen Dollar. Ich lächele freundlich, fuchtel mit den Händen herum und sage das wir gesund sind. Nadine und ich brauchen das „Fiebermessen“ nicht zu bezahlen. Die Amerikaner schon, allerdings gehen sie auch gleich mit dem Dollar in der Hand zum Grenzbeamten mit Thermometer. Was eine seltsame Einreise, heruntergekommene Grenzgebäude, korrupte Beamte, die so wenig verdienen, dass ihnen fast keine Wahl bleibt und ein Messspielzeug, das Dollar eintreibt. Wir dürfen weiter gehen, bekommen unsere Ausweise wieder und sollen in einem kleinen Restaurant auf den Bus zur Weiterfahrt warten. So warten wir und hören uns noch ein paar Geschichten über die korrupte kambodschanische und vietnamesische Grenze an. Einen Franzosen trifft es besonders hart. Er zahlt für ein fünf Tage Übergangsvisum 25 Dollar. Das alles dauert. Es kommen noch zwei weitere Kleinbusse und dann geht es auch für uns weiter. Auf nach Ha Tien Zentrum. Nach zwei Kilometern bitte aussteigen und ins Büro der Busgesellschaft gehen. Dort stehen, warum auch immer, mindestens 20 alte Kassettenrekorder gestapelt herum und wir werden nach unseren Tickets gefragt, die wir im ersten Bus schon abgeben mußten. Mist. Ich hatte die Tickets zwar fotografiert, aber hilft das? Nee, alles gut, nicht nur wir bekommen einfach ein neues Ticket, alle Mitgereisten erhalten für die Weiterfahrt das jeweilige neue Ticket, denn nun geht es mit öffentlichen Bussen oder der Fähre weiter. Wir sind die einzigen, die nach Can Tho wollen und so werden erstmal alle weiteren verteilt, bevor wir zu einem kleinen Regionalbus gebracht werden. Es ist 13 Uhr und der Bus fährt erst um zwei. Wieder warten wir. Hmm, das kann knapp werden mit der Ankunft im Hellen.

David und Goliath – Regional und Sleeper Bus

Der Kleine bringt uns nach Can Tho

Die Sitzreihen haben so wenig Abstand zueinander und sind so schmal, dass ich meine Beine nicht unterbringen kann, wenn wir uns nebeneinander setzen. Glücklicherweise ist er nicht voll besetzt und wir können uns auf zwei Sitzreihen verteilen.
Mehrere Fahrgäste streiten sich lautstark, einer fängt an zu rauchen. Der Raucher wird abgemahnt, der Streit geht weiter. Zwei Männer verfolgen irgendein Fußballspiel auf einem iPhone und feiern jede Chance lautstark und jedes Tor mit schlagen und treten gegen meine Rückenlehne. Super! Wir nehmen unsere In-Ears und drehen auf. Nach zwei Metallica Alben ist das Fußballspiel beendet, genauso wie der Streit und wir machen eine Pause. Wie lange dauert es wohl noch? Die Beifahrerin zeigt uns sieben Finger. 19 Uhr fragen wir? Jip! 19 Uhr! Das zum Thema nur sechs Stunden und im Hellen ankommen. Allein diese Fahrt dauert fünf Stunden.

Die Busfahrt geht nun schon seit Stunden an Strassen entlang, wo links und rechts durchgehend in irgendeiner Form gebaut wurde. Die Straßenschilder zeigen zwar Ortseingang und Ortsausgang an, aber einen Unterschied erkennen wir nicht wirklich. Vielleicht sind die Bauten außerhalb noch abgewrackter und das Elend noch größer. Aber auch das ist nur schwer auszumachen, da die Armut im grenznahen Gebiet unfassbar ist. Nochmals eine Steigerung zu Kambodscha. Wir sind geschockt über das Ausmaß des Elends.
Die Häuser rauschen an unseren Augen vorbei, und die neue Sprache erscheint – im Gegensatz zu thailändisch und kambodschanisch – wieder lesbar. Nah und fast ungefiltert erleben wir die neuen Eindrücke schneller als wir sie wirklich wahrnehmen können. Trotz aller Neugier ermüden wir.

Es wird dunkel und unsere Augen werden immer kleiner. Der Busbahnhof von Can Tho liegt wie immer außerhalb der Stadt und wir brauchen ein Taxi. Die Taxifahrer warten bereits auf uns, nur der Preis muß noch verhandelt werden. Nach ein paar Minuten einigen wir uns auf vier Dollar. Obwohl in Vietnam mit Dong bezahlt wird, ging es bisher auch mit Dollar. Welch ein Glück, wir konnten nämlich noch nicht wechseln 🙂 Auf geht es ins Zentrum. Uns fallen die viele Vietnam-Fahnen an den Fahrzeugen auf. Es wird gehupt was die Hupen hergeben und der Verkehr wird immer dichter. Im Zentrum ist dann Schluß mit Fahren. Hier feiern tausende Feierlustige auf Mopeds den erstmaligen Einzug Vietnams ins Finale des Asien-Cups. Das gab es in der Geschichte des Asien-Cups noch nie und so wird gefeiert was geht. Mit Tröten, Hupen und Trillerpfeifen. Wer es richtig krachen lassen will nimmt große Kochtöpfe und Deckel um damit zu trommeln oder einfach nur laut zu scheppern 😉 Nun klärt sich also auch auf warum die Vietnamesen im Bus soviel Lärm um ein Fußballspiel gemacht hat.

Feierstimmung in Can Tho

Vietnam hat eben erstmalig das Halbfinale des Asia Cups gewonnen

Die Polizei versucht den Strom aus Mopeds zu lenken. Obwohl das totale Chaos herrscht fließt es irgendwie immer mal wieder ein wenig. Wir sollen aussteigen und zu Fuß weiter, denn unser Hotel sei irgendwo gegenüber der Mopedlawine und das Taxi hat definitiv keine Chance durch zu kommen. Bepackt mit unseren Rucksäcken stehen wir etwas dumm da und versuchen mit Google Maps den Weg zu finden. Uns helfen Einheimische in dem die vielleicht 10jährige Tochter Nadine an die Hand nimmt und zu einem Polizisten führt. Der schaut auf die Karte meines Handys und bringt uns tatsächlich über die Straße. Genau genommen bis zur Hälfte auf eine Verkehrsinsel. Aber nun wissen wir ja wie das geht. Einfach loslaufen und im Zweifel etwas winken, um besser gesehen zu werden. So lange die Mopeds nahezu stehen den Fuß dazwischen setzen und im fließenden wuseligen Verkehr gehen und die Richtung halten. Auch das ist unfassbar, denn es funktioniert wirklich.
Nach einer weiteren halben Stunde kommen wir endlich im Hotel an und beziehen das Zimmer. Es liegt an der Hauptstraße und bietet leider wieder Schimmel, vor allem im Bad. Für zwei Nächte soll es gehen und bei dem Verkehrschaos heute ist es eh alternativlos. Ich zieh nochmal los um einen Geldautomaten für Dongs und etwas zu Essen zu organisieren. Erster Automat kaputt, zweiter akzeptiert Visa nicht, dritter funzt, endlich. Nun fehlt nur noch etwas zu Essen. Die meisten Restaurants schliessen gerade, super! Nochmals durch die ausgelassenen Massen und mit lecker Essen wieder zurück. Wir essen, kommen zur Ruhe und wieder hat es einen ganzen Tag gekostet, um an einen neuen Ort zu kommen.

Manch einer wird sich fragen, weshalb ich über die ganzen Kleinigkeiten so ausführlich schreibe. Es geht mir darum, einen Gesamteindruck zu hinterlassen. Für uns als Erinnerung und für alle, die eventuell die gleichen Orte besuchen wollen und wissen möchten ob alles so einfach und schön ist, wie es in den Reiseführern steht 😉

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