Weltreise Tagebuch

#einhundert 🙂 Mit der Autofähre durch die Alpen

Carsten

02. – 03. September 2018

Unser Weg in die Albanischen Alpen ist etwas anders als üblich. Ein schwimmender Bus, übelste Straßen und neueste Tunnel sorgen für Abwechslung und Fjord artige Ausblicke von der Autofähre sind auch nicht zu verachten. Albanien bleibt spannend und unser Auto hat jetzt eine Delle mehr.

Es ist noch dunkel, als wir unsere Vordersitze von unseren Taschen befreien, um unseren Wagen startklar zu machen. Heute wollen wir ins Valbona Tal in die Berge Albaniens wechseln und dafür gilt es früh los zu machen. Unsere Autofähre geht um neun Uhr und bis zum Fährhafen sind es auch noch mindestens zwei anspruchsvolle Stunden Fahrzeit über kurvenreiche marode Straßen und Schotterpisten. Der Weg führt uns durch Shkodër hindurch, über „zerbombte“ Nebensträßchen (danke GoogleMaps 😉 ) wieder auf die Hauptstraße zurück, hinein in die Berg- und Seenwelt Albaniens. Die Straße führt leicht oberhalb des Flusses Drin und endet am Koman-Stausee, doch bis dahin gilt es kraterähnlichen Schlaglöchern auszuweichen, enorme Brückenabsätze zu berücksichtigen und um 20-30cm abgesackte Fahrbahnbeläge nicht zu übersehen. Wieder werden wir an Asien erinnert – broken beach = broken road 😉
Alles in allem eine Material verschleißende Angelegenheit, die einen trotz langsamen Fahrens kräftig durchschüttelt und etwas mürbe macht. Doch nicht nur deshalb, vor allem wegen der schönen Natur halten wir immer wieder an und erfreuen uns an den Ausblicken.

Morgenstimmung am unteren Stausee des Drin

Nur schade das auch hier Fischfarmen das Ökosystem zerstören 🙁

Bei dem ganzen Geschüttel ist uns nicht wirklich nach frühstücken und die wegen der Straßenverhältnisse unklare Fahrzeit läßt uns weiter fahren. Erst der letzte Kilometer ist samt Tunnelanlage niegelnagel neu und vielleicht, eines Tages, ist auch der Rest neu 🙂 Wir kommen schon kurz vor acht am Hafen an und es geht noch halbwegs ruhig zu, doch der Einweiser der Fähre drängt zur Eile. Na dann, eben flotter als wir dachten. Rückwärts geht es ins hinterste Eck der winzigen Autofähre und wir kommen kaum noch an unser Essen hinter den Hecktüren, geschweige denn an die Beifahrerseite. Hm, war das nun nötig? Scheinbar ja, denn nun geht es Schlag auf Schlag, neben den mitfahrenden Fahrzeugen kommen auch noch Busse, die weitere Fahrgäste bringen und auch noch ein Tankwagen für die Personenfähre will irgendwie seinen Platz direkt an der Anlegestelle – naja, wo auch sonst. Der Anlegeplatz ist total verstopft und einige Fahrzeuge müssen aufwendig auf der Fähre wenden. Gut, dass wir so früh vor Ort waren, da quetsche ich mich lieber durch einen Türspalt als dort mitzumischen und aus dem Fenster klettern zu müssen 😉

Im hintersten Eck ist es noch gemütlich

Unsere Fähre ist noch fast leer

Da muss zum Leid der Fahrzeuge gekraxelt werden

Unser Hunger meldet sich deutlich und irgendwie gelingt es mir doch noch an unsere Vorräte zu kommen und so können wir endlich frühstücken. Die Personenfähre neben uns füllt sich ebenfalls und ist ein absolutes Unikum! Hier wurde der obere Teil eines ausrangierten Buses auf einen Schiffsrumpf geschweisst. Was soll man auch sonst machen, wenn das Fahrwerk durch ist? Das nenn ich mal kreativ 🙂

Pimp my boat – ein Bus wird zum Boot 😀 Ist praktisch und spart auch gleich neue Sitze – sind ja schließlich schon welche drin 😉

Der Busfahrer – äh Buskapitän 😀

Nur das Lenkrad und ein paar Hebel wurden getauscht

Während sich die beiden Fähren mehr und mehr füllen, bleibt die Nachbarautofähre nahezu leer. Ist das nun ein gutes oder schlechtes Zeichen? Ein schlechtes, wie sich herausstellt. Der Tipp von unseren Campingplatzmitarbeitern online vor zu buchen war sicher nett gemeint, aber die Leute von der Nachbarfähre haben einfach heute morgen ihr Ticket vor Ort gelöst und sich die leere Fähre ausgesucht. Unsere Fähre wird derart überfüllt, dass kaum noch Platz zum gehen, geschweige denn zum sitzen ist. Überall sind Menschen, die sich an den Motorrädern und Autos vorbei quetschen und auch drauf setzen. Leider auch auf unsere Motorhaube, die noch nahezu jungfräulich war und nun auch eine Delle bekommen hat :-/ Hier wird über alles gestiegen was im Weg steht und Rücksicht wird leider wenig genommen. Wir versuchen trotz der nervigen Situation Ruhe zu bewahren, unseren Wagen im Auge zu behalten und wenigstens ein paar schöne Fotos zu machen. Zum Beispiel von Kindern die auf fremde Motorräder gesetzt werden und dann an allem herumspielen. Oder von dem Plastikmüll, der auf dem See herum schwimmt – hallo Asien ;-(

Knackenvoll…

So voll, dass sich die Leute auch auf unsere Motorhaube setzen – Resultat: Delle im Blech

Steife Brise 😉

Jeder Platz wird genutzt – auch fremde Motorräder!

Endlich stehen wir auch mal in der ersten Reihe 🙂

Natürlich gibt es bis hierher auch schöne Ausblicke, doch die waren bis jetzt leider eher nebensächlich. Nach einer Stunde Fahrzeit legen wir überraschend an und eine große feierwütige Gruppe samt Guide geht von Bord. Endlich ist es leerer und es bleibt neben den Spuren der Partygäste – Dellen und Müll ;-( die nun angenehmere Weiterfahrt. Und endlich bekommen wir auch die Möglichkeit mal von verschiedenen Stellen der Fähre die Natur zu bewundern – ohne Köpfe davor 🙂

Tolle Landschaften ziehen an uns vorbei

Der Koman-Stausee ist eingebettet von steilen Flanken und einer von mehreren Staustufen des Drin. Das dazugehörige Wasserkraftwerk mußte allerdings wegen Wassermangels schon öfter gedrosselt werden. Immer wieder bieten sich Blicke auf die 2000er, die dahinter stehen. Fjordähnlich geht es für uns noch weitere anderthalb Stunden bis zur Endhaltestelle bei Fierza. Immer wieder kommen uns Boote entgegen oder überholen uns. Oftmals sind es kleinere Personenfähren, aber auch kleine Boote mit zwei oder drei Personen fahren hier herum und transportieren Güter in abgelegene Ecken des Sees.

Die Fahrt über den Koman-Stausee ist kein Geheimtipp mehr, wer in Albanien Urlaub macht ist auch hier anzutreffen und es werden immer mehr. Der Tourismus nimmt in dieser Ecke Albaniens zu, denn nicht nur täglich organisierte Tages- und Mehrtagesausflüge werden angeboten, auch die Straße ins Valbona Tal ist ausgebaut worden. Der Tourismus verzehnfachte sich, was bei heutigen 6000 Übernachtungsgästen pro Jahr im Valbona Tal immer noch überschaubar bleibt. Trotzdem sorgt es für verstärkten Andrang auf den Autofähren und dies leider ohne organisierte Verteilung der Fahrgäste. Für Albanien ist es enorm wichtig Arbeitsplätze zu schaffen und der Jugend Perspektiven zu bieten. Es bleibt zu hoffen, dass mehr Touristen ganzjährig Albanien bereisen und dass bei all dem Fortschritt der Respekt gegenüber Mensch, Tier und Natur nicht vergessen wird.

Die hohen Berge nähern sich

Das Valbona Tal kündigt sich in der Ferne an

In Fierza warten schon die nächsten Fahrgäste und es wird zügig entladen. Wir fahren von Bord und sind angetan von der tollen Straße, die uns bis auf ein paar Überraschungsmomente in einer guten Stunde ans Ende des Valbona Tals bringt. Auf dem Weg sind die riesigen Wasserkraftwerksbaustellen im Tal nicht zu übersehen und laut Zeitungsberichten sind diese dank Korruption mal legal und mal nicht. Bei dem Wassermangel des Drin, der schon tiefer gelegene Kraftwerke nicht ausreichend versorgen kann ist ein weiterer oberhalb liegender Ausbau mehr als fragwürdig. Wir finden im oberen Teil des Drin kaum noch Wasser, sondern nur ein nahezu leeres Flussbett vor. Wiedermal erschreckend, dass die Macht des Geldes über Legalität entscheidet und vieles zerstört.

Doch wo ist nun der angepriesene Womo-Stellplatz von der Womo-App? Hm, nochmal etwas zurück und ja, da ist ein Parkplatz und auch ein Restaurant und ein Womo-Schild, aber soll es das wirklich sein? Wir fragen nach und ja, auch wenn der Name nicht übereinstimmt, wir sollen bleiben, denn wir wären hier richtig und es würde nur fünf Euro für beide kosten. Auf dem ersten Blick schaut es recht gut aus und dann bleiben wir eben und bauen unseren Sonnenschutz auf, um uns im Schatten etwas zu erholen und noch etwas am Blog zu arbeiten.

Campingplatz mit fantastischer Lage

Frisch ist es im Valbona Tal – wie gut, dass wir zwei Decken mithaben 😉

Irgendwo sollte es Spülbecken geben – gibt es nicht, dafür dürfen wir auf Nachfrage die Spüle hinter der Theke der Bar kurz nutzen. Duschen: Fehlanzeige, Strom: gibts auch nicht, Internet: funktioniert nicht mal im Restaurant und den Zustand der Toiletten…. ersparen wir Dir ;-(
Dafür sind alle, bis auf den Chef des Ganzen, total nett und laden uns sogar zum Volleyball auf dem angrenzenden Spielfeld ein. Ich endschuldige mich mit meinem Rücken und ernte Mitgefühl 🙂 unser Auto hingegen erntet regelmäßige Treffer verschlagener Bälle – es wird Zeit den Wagen umzustellen 😉
Zeitgleich bietet es sich an gleich wieder alles einzuräumen, wir wollen sicher nicht länger als eine Nacht hier bleiben – egal wie schön der Ausblick von hier ist – und für morgen Nachmittag sind auch noch Gewitter gemeldet. Die Kulisse aus Gipfeln über 2500m Höhe ist fantastisch und wir ziehen Vergleiche mit den Dolomiten. Unsere geplante Wanderung wollen wir nicht einfach auslassen und beschließen morgen einen neuen Stellplatz im Tal zu suchen.
Die Nacht verläuft ruhig, der Morgen nicht, es donnert, es blitzt und es schüttet! Okay, dann bleiben wir doch noch etwas in unserem „Schlafabteil“ liegen 😉 Als es aufhört zu regnen fahren wir los und halten Ausschau nach einem geeigneten Stellplatz. Im Tal finden wir nichts, dann suchen wir uns eben ein Hotelzimmer in der nächsten kleinen Stadt namens Bajram Curr. Schon im zweiten Anlauf werden wir fündig und können dank Internet unsere morgige Wanderung planen 🙂

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