#92 Mit der längsten Zipline Montenegros über den tiefsten Canyon Europas
Montenegro besitzt nicht nur viele Berge, eine lange Küste und dunkle Wälder, sondern auch die tiefste Schlucht der Welt – nach dem Grand Canyon. Bis zu 1600m tief reicht der Tara Canyon und neben zahlreichen Raftingangeboten kann man diese Landschaft auch mit einer Zipline erkundigen. Wir wagen uns in die längste Zipline des Landes.
Gestern war ein Regentag, da haben wir mal wieder nichts gemacht. Sprich: Fotos bearbeitet, Tagebuch und Texte geschrieben, Recherche betrieben und Wäsche gewaschen. 😉 Heute morgen sind wir – ganz ungewöhnlich für uns – nicht früh am morgen losgezogen, sondern tatsächlich erst am späten Vormittag 🙂 Wir wollen uns die Tara Brücke über den gleichnamigen Fluss anschauen. Die Tara ist nicht irgendein weiterer Fluss, sondern einer, der sich durch einen tiefen Canyon gegraben hat. Und zwar nicht nur den längsten Europas, sondern sogar den zweitlängsten nach dem Grand Canyon der Welt! Klar, dass wir den sehen wollen. Bis zu 1600m Tiefe erreicht er. Na gut, einig ist sich die Online Welt da nicht. Wikipedia spricht von 1300m. So oder so. Verdammt tief.
Nach einer zwanzigminütigen Autofahrt taucht die Tara Brücke unvermittelt hinter den Bäumen auf. Etliche Autos parken schon auf den wenigen freien Stellplätzen und auch wir reihen uns ein. Natürlich kommt direkt eine junge Frau auf uns zu, die für den Parkplatz kassieren will. „Ein Euro pro Stunde!“ Ups. Nicht wenig. „Außer ihr macht die Zipline bei uns. Dann zahlt ihr fürs Parken nichts“ fügt sie hinzu und lächelt. Sie erklärt uns, dass es hier drei Anbieter gibt. Eine kleine Zipline, eine mittlere und eine lange. Ihr Anbieter betreibt die längste hier und zugleich die längste Montenegros. In Zahlen: 1050m Länge bei einer Geschwindigkeit zwischen 80 – 120km/h (je nach Gewicht natürlich), Preis: 25€ pro Person. Okaaaay. Da müssen wir uns erst mal kurz beratschlagen und lassen uns eine Bedenkzeit geben. Ich hätte total Lust darauf. Carsten theoretisch auch, aber ist der Rücken schon so weit? Lieber die kleinere oder mittlere Zipline machen? Quasi antesten? Aaaach eigentlich auch blöd. Nein, wir wollen doch gleich die Große machen. Auch wenn 25€ für den kurzen Spaß auch nicht wenig ist. Wir gehen zurück zu der jungen Frau und teilen ihr unsere Entscheidung mit. „Super! Ich gebe euch noch einen Rabatt. Ihr müsst nur 20€ bezahlen.“ teilt sie uns breit grinsend mit. Ui – womit haben wir das denn verdient? Ob das so eine Masche ist? (Später sehen wir auf der Homepage, dass der offizielle Preis tatsächlich 25€ p.P. sind – also wohl wirklich ein Rabatt). Wir zahlen die 40€. Montenegro gehört zwar nicht zur EU, hat aber schon den Euro als offizielle Währung – praktisch 🙂
Mit dem Jeep werden wir auf die andere Seite der Schlucht gebracht. Vor einem unscheinbarem kleinem Holzhäuschen mitten zwischen den Bäumen werden wir rausgelassen. Ein junger Mann führt uns zu einer Plattform und reicht uns Helme und Sicherheitsgurt. Zurrt alles fest und überprüft die Sicherungen. Anschließend gibt’s noch übergroße Handschuhe und eine kurze Sicherheitseinweisung: „Nur für den Fall der Fälle: solltet ihr nicht bis zum Ende der Zipline kommen, dann wartet ihr bis euch einer aus dem Team abholt. Außer ihr seid kurz vor der Plattform. Dann könnt ihr euch an der Zipline entlang rüberhangeln. Dafür sind die Handschuhe.“ Dann noch die Frage nach unserem Gewicht. Für mich gibt es dann die Anweisung direkt von Anfang an und während der gesamten Flugdauer die Beine nach oben zu halten. Carsten solle dies erst ab der Hälfte der Zipline machen. Warum das Ganze: Naja – die Leichtgewichte sollen natürlich nicht mitten drin stehen bleiben, während die schwereren am anderen Ende nicht einbomben sollen 😉
Noch ein letztes Foto und schon werde ich angehoben und mit einem kurzen Anschieben von der Plattform weggedrückt. Den Rest erledigt die Schwerkraft und huuuuuui weht mir der Wind kräftig um die Ohren. Links von mir die Tara Brücke, unter mir die Tara und überall rundherum grüne Berge. Sensationelle Tief- und Weitblicke! Carsten hat versucht das Ganze mit der kleinen Kamera im Bewegtbild festzuhalten:
Gar nicht so einfach mit einer Hand bei 100km/h die Kamera still zu halten 😉
Viel schneller als gedacht haben wir schon das Ende der Zipline erreicht und werden von dem Team auf der anderen Seite in Empfang genommen und ausgeklingt. Fotos wurden auch noch gemacht und die hätten wir alle zusammen erst für 15€ und nach späterem nochmaligem Nachfragen für 10€ bekommen können. Wir verzichten aber dankend 😉 Als Andenken gibt es aber noch für jeden einen Zipline Magneten in die Hand gedrückt. (Kleiner Spoiler vorweg: einen der beiden verschenkt Carsten an ein Roma Mädchen in Albanien, dass am liebsten alles aus unserem Auto geschenkt bekommen wollte)
Wer hätte gedacht, dass wir heute die längste Zipline Montenegros machen werden? Dabei wollten wir doch nur mal einen Blick auf die Schlucht und die Tara Brücke werfen 🙂 Aber jetzt wo wir den kostenlosen Parkplatz haben, können wir uns dafür jede Menge Zeit nehmen!
Die Tara Brücke sieht schon imposant aus, wenngleich man ihr ansieht, dass sie nicht mehr ganz taufrisch ist. Immerhin wurde sie schon vor 78 Jahren fertiggestellt. Auch wenn sie stabil aussieht, ein mulmiges Gefühl beschleicht uns trotzdem, als wir sie betreten. Erst vor vier Tagen brach eine Autobahnbrücke in Genua ein und riss über 20 Menschen in den Tod. Lieber nicht zu viel nachdenken. Lieber die Aussicht genießen. Und die Zipline Aspiranten der kleinen und mittleren Line bei ihrem Vergnügen beobachten 🙂 Oder die Rafter auf der Tara. Die übrigens „nur“ 150m tief unter uns liegt. Wir sind hier definitiv nicht an der tiefsten Stelle des Canyons 😉 Trotzdem beeindruckend.
Wir setzen uns auf der anderen Seite der Brücke auf eine Mauer und packen unser Mittagessen aus, schauen uns das Video von Carstens Zipline Flug an und beobachten die vielen Echsen, die sich ebenfalls ihr Lunch zusammensuchen und mit flinker Zunge kleine Fliegen einfangen. Hübsch sehen sie aus mit ihrem hellblaugeringeltem Schwanz und dem gepunktetem Körper. Nur unser Autofokus an der großen Kamera macht seit ein paar Tagen immer mal wieder Probleme. Manuell fokussieren ist ein Ding der Unmöglichkeit, dafür sind die Kerlchen zu flott unterwegs. Aber zum Glück gibts auch ein paar scharfe Aufnahmen:
Zurück nach Zabljak zu unserer neuen Unterkunft, in die wir heute morgen eingezogen sind. Gemeinschaftsbad und Gemeinschaftsküche bei einer sehr netten sogar Deutsch sprechenden Gastgeberin. Wir fühlen uns direkt wohl hier und verlängern unseren geplanten Aufenthalt. Wir wollen schon ganz bald auf den offiziell höchsten Berg Montenegros wandern, der immerhin eine beachtliche Größe von 2522m erreicht. Wir werden berichten 🙂