Brücken die verbinden, Kriege die trennen, Touristen die strömen, Politiker die blockieren, Jugendliche die sich zwischen Furcht und Hoffnung engagieren und wir mittendrin. Doch was bekommen wir mit von den realen Problemen der Einwohner? In erster Linie ist es Stari Most, DIE Brücke von Mostar und ihre Brückenspringer, die uns anzieht und weit über die Landesgrenze hinaus bekannt ist. Hier spielt das Leben der Touristen und auch meistens für uns.

Von Sarajevo aus geht es über gut ausgebaute Straßen in den Süden Bosnien-Herzegowinas. Wir fahren durch Schluchten, an riesigen Seen vorbei und sehen eine wundervolle Natur. Einige Zeit begleiten wir auch den Fluß Neretva, der auch durch Mostar fließt und in die sich die Brückenspringer stürzen. Leider gibt es nur wenige Möglichkeiten anzuhalten um den Ausblick zu geniessen, zu aufwändig ist die Straßenführung und für Haltebuchten reicht das Geld nicht. Beifahrer müßte man sein 😉

Mostar ist die sechstgrößte Stadt Bosnien-Herzegowinas, aber nur der kleine zum Weltkulturerbe ernannte Altstadtkern zieht den Tourismus und auch uns an. Unsere Unterkunft liegt glücklicherweise unweit der Stari Most, wir müssen nur erst mit unserem Auto hinkommen. Die Routenführung über Google Maps geht wieder vollkommen an der Realität vorbei und auch dieses Mal kommen wir erst über reichlich Umwege und zusätzlicher Hilfe von einem sehr hilfsbereitem Parkplatzvermieter ans Ziel. Aber wir kommen an 😉 und vertreten uns gleich mal die Beine in Richtung Hauptattraktion. Netterweise liegt Mostar in einem Talkessel und ist nochmals sieben Grad wärmer als Sarajevo. 39 Grad und Mücken ohne Ende sind die Begleiterscheinungen dieser mediterranen Lage am Fluß im August. Es geht doch nichts über eine geschickte Routenplanung 😉

Es ist nicht nur heiss, es ist uns auch wieder mal viel zu voll in der malerischen Altstadt. Tagesgäste die u.a. von der kroatischen Küste mit Bussen für ein paar Stunden hergebracht werden, verstopfen die Gassen und schieben sich gegenseitig über die unglaublich rutschige und von Menschenmassen blankpolierte Kalksteinbrücke Stari Most. Zu unserer Überraschung finden wir gleich nebenan ein Eiscafé mit einem großen veganen Angebot. Alle Kuchen und fast alle Eissorten sind vegan (hammerlecker!), nur eine Sorte nicht und auf die können wir gerne verzichten 😉 Anschließend verschieben wir unseren ausführlichen Besuch auf morgen früh. Also so um kurz nach 6 Uhr 🙂

Von den vielen Touristen glatt polierte Steine

Eine gute Entscheidung, denn nun können wir tatsächlich durch die Gassen schlendern, Ausblicke im Morgenlicht geniessen und fast in Ruhe fotografieren 😉 Das übliche morgendliche Aufbauen der Stände begleitet uns ebenso wie weitere Frühaufsteher, Muezzingesänge und Kirchenglocken. Interessanterweise können sowohl ein Kirchturm, als auch ein Minarett bestiegen werden. Der Konkurrenzkampf ist auch auf diesem Gebiet eröffnet. Wer baut höher, wer ist lauter und nun eben auch das 🙂 Der Kirchturm ist verglast und für das Minarett verzichten die Verantwortlichen zwar auf eine Kleiderordnung (nur Badekleidung ist verboten), dafür möchten sie aber gerne 6 Euro Eintritt haben. 6€ für den Besuch eines nicht mal mittelhohen Turmes einer kleinen zum Basar umfunktionierten Moschee, die auch Eintritt kostet. Selbst der Michel in Hamburg kostet nur 5€ und da ist noch ein Aufzug dabei. 😉 Nö danke, auch nicht in kurzen Hosen oder Trägerhemd 😉

Etwas abseits der kleinen gut besuchten Gassen, die einem das Gefühl eines orientalischen Basars vermitteln, wird unser Gefühl etwas beklommener. Es kommen Kriegsruinen und leerstehende Geschäfte hinzu. Zusätzlich warnen uns auch Schilder vor dem Betreten von Grundstücken aufgrund von Blindgängern. Die allgegenwärtigen beschossenen Fassaden und die Ruinen erinnern uns an die nahe Vergangenheit dieses Landes und eben auch dieser Stadt.

Vielleicht kennst Du noch die Stari Most (übersetzt: die Alte Brücke) aus dem 16. Jahrhundert – aus der Zeit vor dem Bosnienkrieg in den 1990ern. Sie ist heute fast dieselbe, nur wurde sie 1993 von kroatischer Seite durch stundenlangen Beschuss zum Einsturz gebracht und erst 2004 wieder eingeweiht. Es hat von 1995 bis 2004 gedauert um möglichst viele Originalsteine aus dem Fluss zu bergen und das nötige Geld zusammen zu bekommen. Heute steht sie da, als wäre nichts gewesen und nur ein Stein mit der Aufschrift „Remember 1993“ erinnert an die bewußte Zerstörung. Mostar wurde damals erst von Serben angegriffen und von Kroaten wie Bosniaken gemeinsam verteidigt. Als sich Kroaten und Bosniaken zerstritten, bekämpften sie sich gegenseitig und die Serben zogen sich zurück. Ortsteile Mostars wurden zwar damals schon verstärkt ethnisch aufgeteilt bewohnt, doch galten die Bewohner Mostars als äußerst tolerant und die Anzahl von Mischehen suchte seinesgleichen. Der Bosnienkrieg änderte alles. Die Verbindungsbrücke der zwei wesentlichen Ortsteile wurde zerstört, das weltweit bekannte Bindungsglied – die Alte Brücke – vernichtet und damit mehr als nur ein paar Steine gesprengt. Die Stadt war trotz Frieden im Anschluß geteilter denn je und findet auch heute noch nicht zurück ins gemeinsame Miteinander. Getrennte Schulen, zweierlei Telefongesellschaften und Universitäten sind nur wenige Beispiele aus dem Alltag. Nutznießer dieser Situation sind die verantwortlichen Lokalpolitiker, die an ihrer Macht kleben obwohl ihr mangelndes Handeln nicht einmal mehr zur Finanzierung der Armenküche reicht.

Hier ein spannender und kurzweiliger Link zu Ansichten und Äußerungen von Jugendlichen aus Mostar:

https://balkanblogger.com/2015/02/26/mostar-eine-geteilte-stadt/

Von all dem dramatischen Geschehen bekommst Du als Tourist nichts mit, erst beim Recherchieren wird so manches klarer. So richtig klar sehen wir nach all der Recherche zwar immer noch nicht, aber die Geschichte Jugoslawiens und des Bosnienkrieges ist unglaublich verworren. Obwohl wir das Gefühl haben, dass die Zivilgesellschaft ein friedliches Miteinander bevorzugt, werden bei Wahlen, wenn sie denn stattfinden, vorwiegend die Nationalisten gewählt, die für Spaltung stehen. Wir haben mit Serben, Bosniaken und Kroaten gesprochen. Alle waren herzliche Gastgeber und freundliche Gesprächspartner und nun bleibt zu hoffen, dass es friedlich bleibt und sich die Perspektiven der Bevölkerung verbessern. Doch solange Hass säende Nationalisten ihr Ziel erreichen, an der Macht bleiben, Kriegsverbrecher huldigen und jegliche Reformen unterbinden, werden die Gräben tiefer und die Armut schlimmer.

Nun aber zurück zum Touristenhöhepunkt, den Brückenspringern. Einen von ihnen haben wir auf unserem Titelbild ganz oben verewigt 🙂 Sie kommen braungebrannt in Badehose zur Brücke und nach einigem Posen in schwindelerregender Höhe sammeln sie von den umherstehenden Touristen ihren Lohn für den folgenden gewagten Sprung in die Tiefe. 19 Meter schauen schon ganz schön gruselig aus, so von oben betrachtet und vereinzelt haben Springer auch schon von fürchterlichen Prellungen aufgrund von schlechter Körperposition beim Eintauchen berichtet. Anhand ihrer Ausstrahlung ist gut zu erkennen, sie sind die Helden der Stari Most! Doch die Saison ist kurz und sooo spendabel sind die Besucher dann auch nicht, sodass bei genauem Hinsehen hinter dem Glanz der Brückenspringer eine Menge Armut steckt.

Als die Altstadt wieder ihre gewohnte Fülle an Besuchern erfährt, bummeln wir ein paar Straßen und Brücken weiter. Feigen- und Granatapfelbäume stehen an vielen Ecken und nehmen gerne Flächen von Ruinen ein. Manche Flächen wurden auch komplett geräumt und dienen den Besitzern nun als Parkplatzfläche, die sie stunden- und tageweise vermieten. Die öffentlichen Parkstreifen sind mit einheimischen Fahrzeugen belegt bzw. mit Platzhaltern (Stühle oder Kisten) zugestellt. Zufälligerweise sind die Parkuhren und Parkzeichen schwarz übersprüht 😉 Was soll man auch tun, wenn es kaum Arbeit gibt und die Lokalpolitiker sich nur um sich selbst kümmern? Die Abwässer werden ungeklärt in den eigentlich sauberen Fluß gelassen, öffentliche Ruinen bleiben wie sie sind und die Bosniaken kämpfen in ihrer kleinen Altstadt ums Überleben. Unser Vermieter, ein Kroate, antwortet auf die Frage nach der hohen Arbeitslosigkeit: Als Kroate hat man hier keine Probleme und lächelt. Die Stadt ist geteilt in Alt und Neu, in Kroaten und Bosniaken und es bleibt zu wünschen, dass sie alle wieder zueinander finden, so wie vor dem Krieg.