#29 Nachtbusfahren – ein Erlebnis der zweifelhaften Art
01. – 02. Februar 2018
Nachtbusfahren, während der Fahrt schlafen, Hotelzimmer sparen und morgens gleich in den neuen Tag starten, cool. Doch irgendwie kommt alles anders und nicht zum Besseren. Eben ein Erlebnis der zweifelhaften Art.
Der Abreisetag in Dalat startet gemütlich, denn wir haben die Bustickets schon vor zwei Tagen mit Sitzplatzreservierung am Schalter gekauft. Leider gibt es nur Busverbindungen und keine Züge nach Hoi An. Um 13.00Uhr werden wir vom Shuttlebus am Hotel abgeholt und können solange unser Zimmer nutzen. Wir sind neugierig auf die Nachfahrt, haben aber auch ein mulmiges Gefühl, denn erstens ist es eine lange Fahrt und zweitens haben wir nur Liegesitze in der oberen Reihe bekommen – könnte schaukelig werden. Die eigentliche Fahrt dauert von 15.00 Uhr bis 5.00 Uhr morgens nach Da Nang, danach folgt noch eine etwa einstündige Weiterfahrt bis ans eigentliche Ziel Hoi An.
Wie bei allen Sleeperbussen üblich werden vor dem Besteigen des Busses die Schuhe ausgezogen und man erhält eine Plastiktüte zum Sauberen verstauen. Wir kraxeln auf unsere Sitze und legen unser Handgepäck zwischen unsere Füße, soweit Platz dafür ist.
Der Bus ist ausgebucht, es geht langsam auf die Tet-Feierlichkeiten zu, dem wichtigsten Ereignis Vietnams. Zum Jahreswechsel des chinesischen Kalenders treffen sich üblicherweise alle Familienmitglieder, denn es sind die einzigen Ferien und somit auch für die meisten Vietnamesen die einzigen freien Tage im Jahr. Ansonsten wird grundsätzlich jeden Tag gearbeitet. Dementsprechend ausgebucht und teuer sind die Fahrten zu dieser Zeit. Leider auch schon zwei Wochen vorher.
Nadine macht ihre Rückenlehne senkrecht, dann ist das Schaukeln besser zu ertragen. Ich versuche meine Beine irgendwie unter zu kriegen und das geht am besten im Liegen, da kann ich nach oben raus etwas improvisieren. Den Rücken etwas unterpolstern und eine Position finden die ich die Nacht über aushalte, denn Aufstehen während der Fahrt ist verboten und macht auch wenig Spass. Nadine hält aufs Gruseligste vorbereitet ihre Reisetabletten griffbereit.
So sitzen oder liegen wir halbwegs bequem und sind freudig überrascht wie ruhig und entspannt unser Fahrer den Bus steuert. Glück gehabt, es schaukelt zwar, aber im erträglichen Rahmen. Gegen die ewig kalt pustende Klimaanlage mit Schimmelduft helfen Decken nur teilweise.
Nach ungefähr zwei Stunden wäre eine Toilettenpause nötig, statt dessen stehen wir leider im Stau auf einer Bergstraße. Immer mehr Menschen verlassen ihre Fahrzeuge und auch unser Fahrer öffnet die Tür und stellt einen Eimer mit Flip Flops hin. Leihschuhe vom Busunternehmen. Eigentlich ganz cool, aber leider ziemlich verdreckt. Die Männer verlassen den Bus und stellen sich gleich in eine Reihe neben den Bus an den Straßenrand. Nach ein paar Minuten suche auch ich mir einen Platz, nur etwas abseits, soweit möglich. Nadine und alle anderen Frauen sind sitzengeblieben und halten ihre Blase an. Das ist mega ätzend, denn die Schaukelei und die Schlaglöcher drücken mächtig auf die Blase und normalerweise haben die Busfahrer immer zeitig eine Pause an einer Raststation eingelegt. Nicht diesmal. Zwei Frauen hocken sich auch an den Straßenrand (Gebüsche gibt es nicht), der Druck war zu groß. Nach einer halben Stunde geht es langsam weiter. Eine Baustelle mit Sprengarbeiten sorgte für Unterbrechungen. Die Landschaft ist grandios. Tiefe Täler, Schluchten und Muren umgeben von gaaanz viel Grün.
Immer wieder fehlen Leitplanken; nicht schön, wenn es tief runter geht.
Eine Straße mit Steinschlaggefahr und abgerutschtem Hang.
Gegen 18.00 Uhr erreichen wir ein recht großes Strassenrestaurant, was üblicherweise von Reisebussen angefahren wird. Ausreichend Toiletten und eine gut organisierte Küche sorgen für einen reibungslosen Ablauf. Selbst wir zahlen keine Tourimondpreise und werden nett versorgt. Sogar Kekse bekommen wir zum Normalpreis angeboten. Während wir so dasitzen und essen, läuft ein süßes rosa Schwein von Tisch zu Tisch und wird teilweise gefüttert. Mit feuchter Schnauze und neugierigen Augen sollte es eigentlich jedes Herz erweichen.
Gut gesättigt und mit entleerter Blase geht weiter 🙂 Es ist dunkel geworden und der Verkehr wird nicht weniger, die Überholmanöver nicht weniger riskant. Im Bus ist es ruhiger geworden, das angebotene Wifi ist so brüchig, das es nicht wirklich vorhanden ist und die meisten versuchen zu schlafen. Das endlose Gehupe nervt weiterhin und so haben wir eigentlich immer In-Ears im Einsatz, selbst beim Versuch einzuschlafen. Irgendwann riecht es nach Rauch! Nein es ist nicht der Bus oder Fahrer, es raucht hinter mir ein Passagier. Der Beifahrer, der dafür sorgt, das jeder am richtigen Ort aussteigt, hatte sich auch hingelegt, springt jedoch gleich auf und unterbindet das Rauchen nachdrücklich. Ein etwas irritierter Mann bringt seine Zigarette zur Tür und wirft sie heraus. Er scheint für dieses Verbot kein Verständnis zu haben, wird doch sonst überall in Vietnam geraucht. Weitere Pinkelpausen finden nur noch am Straßenrand statt, Frauen suchen Sträucher in der Nähe und Männer bleiben einfach neben dem Bus stehen und lassen es laufen. Rücksichtsnahme und Privatsphäre wird in Vietnam anders definiert. In einem Land wo Familien und teilweise Generationen in einem Raum leben und es oftmals nur die Straße als Klo gibt, kommen andere Gewohnheiten zu Stande. Auf Grund von feuchter Luft sind die „Wohnungstüren“ fast immer offen und jeder bekommt von jedem alles mit. Also kein Wunder, wenn es läuft wie es läuft 😉
Gegen 23.00 Uhr stoppt der Fahrer irgendwo im Niemandsland und geht eine rauchen. Ein Passagier, oder besser gesagt der zweite Fahrer macht es sich am Lenkrad bequem und desinfiziert das Selbige. Mir fallen direkt zwei Szenarien ein. Erstens: Der neue Fahrer ist ein ganz penibler Zeitgenosse und wird alles dazu beitragen, dass der Bus nicht zu schaden kommt. Das heisst er fährt noch ruhiger. Zweites Szenario: Er ist so ein „Frank Martin – The Transporter“ Typ und heizt wie Sau! Es wird Szenario zwei 🙁
Ab jetzt haben wir also einen vollkommen durchgeknallten Fahrer bei dem ich ernsthaft Angst habe! Abgesehen von der Unfallgefahr, war es auch kein Vergnügen sich ununterbrochen festhalten zu müssen, um nicht aus dem Sitz zu fallen. Immer wieder heben wir ab, verlieren wir den Kontakt zum Sitz. Tolle Sleeperbus-Reise! Nadine und ich sind uns einig, das wollen wir möglichst nicht wiederholen, dann lieber mehr Geld in die Hand nehmen und mit dem Zug fahren.
Als wir endlich gegen 4.30 Uhr am Busbahnhof in Da Nang ankommen, werden auch direkt von diversen Männern bedrängt und angesprochen. „Taxi“ „Taxi“ „where you go“ „Hotel“ „Taxi“ „Moped-Taxi“… endlos und durcheinander. Ich bin so genervt, dass ich nur noch ein unfreundliches NO herausbringe. Wir nehmen unsere ganzen Taschen und Rucksäcke mit in die Wartehalle und packen alles möglichst kompakt um. Irgendwann soll ein Bus weiter nach Hoi An starten. Während Nadine noch ganz groggie von der Fahrt ist und etwas Ruhe braucht, klapper ich die Busse ab, um herauszufinden wann und wo es für uns weitergeht. Wieder kommen Taxifahrer auf mich zu. Es ist ein lohnendes Geschäft, die wohlhabenden Touristen mit dem Taxi nach Hoi An zu bringen. Außerdem fährt um die Uhrzeit offiziell kein Bus. Ein Polizist hilft mir weiter. Der Bus dort drüben fährt nach Hoi An. Super, nix wie hin. Der Busschaffner sagt, dass es in 5 Minuten losgeht. War das nicht der Eine, der mich nach der Ankunft direkt fragte „Where you go?“ Egal, zurück zu Nadine, es eilt. Wir also zügig mit allem Gepäck zum Bus. Das Travellergepäck wird gestapelt und uns wird ein Platz zugewiesen. Beim Bezahlen erleben wir dann eine kleine Überraschung. Auch im Linienbus gibt es Zuschläge für Traveller! Nicht nur wir, auch zwei Franzosen versuchen zu handeln, kennen wir doch den offiziellen Preis. Keine Chance, wer nicht mehr bezahlt kann gleich wieder aussteigen. Es gibt auch kein Ticket, also ruhig bleiben und hoffen, dass es wenigstens an unseren Zielort geht.
Bis es endlich losgeht geht der Busschaffner immer wieder zu ankommenden Sleeperbussen und fragt: „Where you go?“ So werden noch ein weiteres Dutzend Traveller abgezockt. Doch immerhin geht es weiter und müssen nicht mit dem wesentlich teureren Taxi fahren.
Gegen 6.30 Uhr kommen wir in Hoi An an und werden auch hier am Busbahnhof von Taxifahrern umzingelt. Puuh, das nervt! Wir wollen kein Taxi, wir wollen keine elende Diskussion über Mondpreise, deshalb entscheiden wir zu laufen. Auf dem Weg zum neuen Guesthouse wollen wir etwas frühstücken. Das angesteuerte Restaurant machte zwar schon um sieben Uhr auf, hat aber außer Nudelsuppe nichts im Angebot. Na denn, für mich eine Nudelsuppe und für Nadine eine Zitronenlimo aus frisch gepressten Zitronen und viel Zucker. Hauptsache eine Pause für unsere Schultern, die schweren Rucksäcke drücken gewaltig.
Nach der Pause geht es weiter ins Fireworks-Homestay.
Wir werden herzlich begrüßt, bekommen gleich eine Tasse Tee und kurz darauf vegane Bananen-Pancakes angeboten. Wer sagt da schon nein? Wir jedenfalls nicht 🙂 So hocken wir herum, geniessen die Pancakes und ich finde nach dieser Nachtfahrt einfach keine schmerzfreie Position auf dem Stuhl. Leider ist unser Zimmer noch belegt, check in ist erst ab 12.00 Uhr. Unsere neuen Gastgeber bekommen meine Probleme mit und wir dürfen uns vorab in einem anderen Zimmer ausruhen. Voll nett! Unsere Rucksäcke kommen ins Zimmer der Tochter. Wir werden in den ersten Stock gebracht.
Das ganze Haus sieht fast neu aus und wir sind überrascht von dem Schimmelgeruch. Doch wir sind guter Dinge, soll unser Zimmer doch ein Fenster haben. Das Übergangszimmer ist kalt und voll feucht! Nach zwei Stunden entschließen wir rauszugehen, egal wie müde wir sind. Überraschend können wir jetzt doch schon unser richtiges Zimmer beziehen. Das Zimmer ist prima, nicht feucht und auch nicht so kalt. Leider hat das Bad schon Wasserschäden und Schimmel. Es ist unglaublich wie sich der Schimmel in den Häusern verbreitet. Das Fireworks-Guesthouse ist gerade mal anderthalb Jahre alt und Teile wurden schon wieder renoviert. Unser Zimmer soll über die Tet-Feiertage „neu“ gemacht werden. Ein ewiger Kampf gegen die unerbittlich hohe Luftfeuchtigkeit.
Die wunderschöne Altstadt von Hoi An wartet darauf erkundet zu werden. Wie sie uns gefällt, erfahrt ihr im nächsten Beitrag. 🙂