#85 Republika Srpska
Nadine
Irgendwie haben wir es geschafft, bei unserer Airbnb Wohnung in der Republika Srpska einen Buchungsfehler zu machen, weshalb wir noch zwei Tage auf einem Campingplatz in Kroatien verbringen müssen. Kann ja mal passieren, dass man September und August verwechselt ;-P
Aber heute geht es endlich los und wir haben wieder mal wenig Ahnung, was uns genau erwartet. Was wir wissen ist, dass Bosnien aus zwei Teilstaaten bestehen. Zum einen eben die Republika Srpska (sprich: Sirpska) und zum anderen der Förderation Bosnien und Herzegowina. Beide Teilstaaten besitzen ziemlich genau die Hälfte der Landesfläche. Theoretisch ist Sarajevo die Hauptstadt beider Entitäten (und somit auch des ganzen Landes), aber da die Stadt Sarajevo auf dem Staatsgebiet der Förderation liegt und somit außerhalb der Republika Srpska, ist Banja Luka die de facto Hauptstadt von Srpska.
Während in der Förderation mehrheitlich Bosniaken und Kroaten leben, findet man in der Republika Srpska hauptsächlich Serben. Dank des Zerfalls von Jugoslawien und der damit einhergehenden schrecklichen Kriege in den 90ern, kam es zu zahlreichen Volksverbrechen ausgelöst von Nationalisten, die eine ethnische Säuberung bestimmter Gebiete erreichen wollten um sich anschließend als eigener Staat unabhängig erklären zu können. Alles unfassbar entsetzlich und wie immer bei Kriegen einfach nur menschenverachtend und abscheulich. Das ganze ist nun über 20 Jahre her und das Land hat sich noch nicht davon erholt. So sieht man nicht nur zerbombte Ruinen, faustdicke Einschusslöcher in Wohnvierteln, sondern auch Schilder, die vor Landminen und Blindgängern warnen. Das Land selbst ist für Reisende aber sehr sicher. Und als Deutsche bekommen wir viel Zuspruch. Viele waren als Kriegsflüchtlinge in Deutschland und haben dort nicht nur die Sprache gelernt sondern auch eine zweite Heimat gefunden. Wir wurden übrigens ein paar Mal von der Polizei angehalten, die uns auf serbisch anquatschte, weil sie dachten wie wären Bosnier 😉 In Wahrheit können wir nur drei Wörter: Guten Tag (dobar dan), danke (hvala) und natürlich Bier (pivo) 😀 Wir konnten jedesmal problemlos weiterfahren 🙂
Okay, genug über diesen kleinen Geschichtsausflug. Die Fahrt geht los, die Grenze zu Bosnien ist wieder sehr schnell passiert und auf unserer Fahrt nach Norden überqueren wir irgendwann ganz unspektakulär die unsichtbare Grenze zur Republika Srpska. Gefühlt ändert sich nichts. Nur ganz langsam schleichen sich immer mehr Straßenschilder ein, auf denen auch die kyrillische Bezeichnung der Ortschaften geschrieben stehen. Wie oben erwähnt, leben hier mehrheitlich Serben und die benutzen neben der lateinischen Schrift auch die kyrillische. Nach guten fünf Stunden Autofahrt erreichen wir unsere gemietete Airbnb Wohnung in der Hauptstadt Banja Luka. Von außen pfui und von innen ein bisschen altmodisch (mit Röhrenfernseher!), aber sauber und ordentlich. Außerdem ganz nah am Zentrum. Und das wollen wir uns jetzt mal anschauen gehen.
Wir laufen vorbei an typisch sozialistischen Plattenbauwohnungen, an Gebäuden, die nicht verputzt sind, an vielen alten Automodellen, die bei uns vor zwanzig Jahren modern waren, an (funktionierenden!) Telefonzellen, an Rohbauten ohne Wände, aber auch an modernen Bankgebäuden (klar, die haben Geld), wieder neu gebauten serbisch-orthodoxen Kirchen und riesigen Baustellen, die von ausländischen Investoren finanziert werden. Eine wirklich sehr bunte Mischung. Banja Luka besaß vor dem Krieg viele altertümliche Moscheen. Sechzehn von ihnen wurden während des Bosnienkrieges von serbischen Nationalisten zerbombt und zerstört. Dies geschah im Zuge der ethnischen Säuberung. Dazu muss man wissen, dass in der Regel Bosniaken Muslime sind, Kroaten Katholiken und Serben Orthodoxen. Somit passten die Moscheen nicht ins Bild der Serben, die dieses Gebiet für sich beanspruchen wollten. Mittlerweile sind die meisten Moscheen wieder aufgebaut. Darunter auch die schönste von ihnen. Die Ferhadija Moschee, die im Jahre 1579 im osmanischen Stil gebaut wurde. Seit 2014 darf die damals älteste Moschee des Landes Bosnien wieder stehen.
Das Wahrzeichen der Stadt ist allerdings die serbisch-orthodoxe Christ-Erlöser-Kathedrale. Schon von Weitem leuchten uns die goldenen Kuppeln und der 46m große Glockenturm entgegen. Erst seit 2004 ist die Kathedrale wieder auferbaut worden. Denn auch sie wurde in einem Krieg zerstört. Durch einen deutschen Luftangriff 1941 wurde ein Teil beschädigt und nur einen Monat später von den damals herrschenden kroatischen Faschisten komplett zerstört. Denn die verfolgten Juden, Roma und eben auch Serben. Nationalisten waren und sind halt scheisse, egal auf welcher Seite!
Keine Frage, architektonisch sieht sie wirklich beeindruckend aus und ist als Fotomotiv wirklich schön. Aber echtes Gold auf den Kuppeln? Ausgerechnet in dem armen Land Bosnien wird für so etwas Geld ausgegeben? Nun ja…
Das älteste Bauwerk der Stadt thront -ganz unüblich- nicht auf einem Berg, sondern liegt mitten im Zentrum. Ein Kastel, von dem man vermutet, dass es von den Römern erbaut und später von den Osmanen weiter ausgebaut wurde. Genutzt haben es später noch die Österreicher und im zweiten Weltkrieg auch die Deutschen. Heute ist nur noch ein Viertel der ursprünglichen Fläche übrig und ehrlich gesagt sieht man außer ein paar Mauern nicht besonders viel. Dafür ist es kostenlos, liegt im Grünen und keiner wird dich davon abhalten, wenn du auf die Mauer kletterst 😉
Püntklich zur blauen Stunde sind wir abends noch einmal unterwegs. Wir wollen unbedingt ein Foto der Christ-Erlöser-Kathedrale in diesem schönsten aller Lichter machen. Schon auf dem Weg dahin sind wir erstaunt wie viele -vor allem junge- Leute auf den Straßen unterwegs sind. Und das mitten in der Woche. Die Frauen sind geschminkt und aufgestylt wie an einem Freitagabend und auch die Mütter lassen sich ihre High Heels für den Spaziergang mit dem Kinderwagen nicht nehmen. Treffpunkt ist für viele die Kathedrale, aber auch die Einkaufsstraße. Zum Teil sind sogar die Straßen autofrei. Tolle Stimmung auf jeden Fall!
Ein weiteres Highlight für uns ist der Besuch des Zen Restaurants. Der Besitzer begrüßt uns beim ersten Besuch schon so herzlich und erfreut, als ob wir gute Freunde wären. Sogleich kommt für uns die englische Karte und natürlich die Empfehlung des Tages. Hier gibt es vegan, vegetarisch, Rohkost, glutenfrei und sogar makrobiotisch (was das ist musste ich später erst mal googlen ^^). Als wir dem Besitzer erklären, dass wir vegan leben, leuchten seine Augen und er erzählt uns, dass er der einzige in der ganzen Republik ist, der vegan anbietet. Und Rohkost. Und ohne Zucker. Und als weitere Rarität ist bei ihm rauchen nur im Außenbereich gestattet. Er wäre der verrückte Vogel der Stadt, erzählt er uns lachend. Und scheinbar geht sein Konzept auf. Der Laden ist richtig gut besucht. Und unglaublich lecker ist es außerdem noch 🙂 Als wir ihm erzählen, dass wir im Schwarzwald wohnen, deutet er aufgeregt auf die Kuchenauslage. Auf einem der Schilder steht tatsächlich „Svarcvald Torta“ – er hat eine Schwarzwälder Torte im Angebot! In dem Fall muss die probiert werden 😉 Cooler Laden, mit super netten Kellnern und einem dynamischen Besitzer, der uns noch dem halben Laden vorstellt. Alles Freunde, die deutsch können. Und so kommen wir zweimal vorbei und bleiben jedes Mal viel länger als gedacht. So viel Gastfreundschaft und Herzlichkeit! Übrigens nicht nur hier im Restaurant 😉
Edit: Trotz der Lebensfreude der Menschen und der Herzlichkeit, darf man nicht vergessen, dass gerade in der Politik die Nationalisten regieren, die sich am liebsten eine Teilung Bosniens wünschen. Serben für sich, Kroaten für sich und Bosniaken für sich. Statt sich um die Sorgen und Nöte der Bevölkerung zu kümmern, stecken sie sich das Geld in die eigene Tasche und herrschen mit rechtspopulistischen Parolen. Bleibt nur zu hoffen, dass sich in naher Zukunft etwas ändert!
Wir sind wirklich dankbar, dass wir diesen Teil Bosniens kennenlernen durften. Touristisch mag es in der Stadt nicht so viel zu erkunden geben. Aber dafür lernt man viel über Land und Leute kennen. Ich habe mich schon lange nicht mehr so intensiv mit der Geschichte eines Landes beschäftigt. Und das wird sich auch bei unserem nächsten Stop nicht ändern. Es geht nach Sarajevo. Eine Stadt, die vermutlich die meisten irgendwie mit Krieg verbinden. Die aber viel mehr als eine dunkle Vergangenheit zu bieten hat!