Weltreise Tagebuch

#141 Wie Silvester ins Wasser fällt

Carsten

31. Dezember 2018

Heute ist Silvester und wir können Geparden und weiteren Wildtieren ganz nah kommen. Das wird ein Fest und sicher ein weiteres Highlight gefolgt von Silvestermenü und einer Nacht voller spannender Tierstimmen. Mal schauen, was sonst noch auf uns wartet.

Die Harnas-Wildlife-Foundation in der wir uns gerade befinden, bietet Geparden, Hyänen, Wildhunden, Löwen und weiteren Wildtieren, die aufgrund von Quälerei durch den Menschen in Gefangenschaft in der freier Natur keine Überlebenschance haben, Freigehege für ihren Lebensabend an. Dieses ehrgeizige privat finanzierte Projekt ist nicht einmalig in Namibia, aber sicher ebenso anspruchsvoll. Die Foundation, die wir eigentlich besuchen wollten und hervorragende Kritiken bekommen hat, liegt leider nicht mehr auf unserer geänderten Route. Wir folgen dem Tipp eines Naturguides von der letzten Campsite und mangels wifi konnten wir leider nichts vorab recherchieren. Wir wählten also das Überraschungspaket als wir gestern hier ankamen 😉

Wir werden mitten in der Nacht von kräftigem Regen geweckt. Hoffentlich hört er bis zum Morgen auf, denn dann wollen wir an einem Gamedrive (was für ein blödes Wort für Tierbeobachtungsfahrten) teilnehmen. Das gesamte Gelände mit all seinen Tieren sollen wir gezeigt bekommen und da hoffen wir natürlich auf Sonnenschein und tolle Momente. Zum Frühstück hört es auf zu regnen und wir sind guter Dinge. Pünktlich stehen wir am Büro und warten wie auch andere Gäste auf unseren Fahrer und Guide. Die Abfahrt verzögert sich, da der Guide noch nicht da ist und der Fahrer mit seinen Kindern spielt. Es regnet nochmals ein wenig und mit einer halben Stunde Verspätung geht es endlich los.

Wir gehen zum Fahrzeug und stehen vor einem sehr alten offenen Pritschenwagen mit undichtem Dach und abgesoffenen Sitzflächen. Toll! Egal, wir wollen los und sind gespannt auf die Tiere. Nach ein paar Metern bremst der Fahrer abrupt und vom Stoffdach schießt eine Ladung Wasser auf uns nieder. Glücklicherweise reagieren wir blitzartig und retten unsere Kameras – nur uns können wir nicht retten und sitzen nun pitschnass da und sind wenig amüsiert. Eine Diskussion mit dem Fahrer ist erfolglos, da er es nicht einsieht vor der Abfahrt das Dach vom Wasser zu befreien und das nunmal Afrika sei. Na toll! Egal, wird schon wieder trocknen. Dann folgt allerdings eine Übersprungshandlung vom Guide, der mal eben hinter meinem Rücken das Dach von weiterem Wasser befreien will und damit einen Eimer voll Wasser über unser neues (nicht wassergeschütztes) Telezoom samt Kamera schüttet. Wir sind entsetzt und können nur hoffen, dass keine Feuchtigkeit eindringt und trocknen mit unserem Handtuch was geht. Es folgt weder eine Entschuldigung, noch Betroffenheit oder Hilfestellung. Ob wir noch mit weiterfahren wollen? Nein, das wollen wir sicher nicht, denn erstmal gilt es wenn möglich unser Kameraequipment zu retten. Wir sind stinksauer und gehen zur Anmeldung, stornieren unseren Ausflug und behalten uns weitere Schadensersatzansprüche für das Objektiv vor. Die Dame an der Anmeldung wolle mit dem Manager sprechen und wir würden von ihnen hören. Tun wir allerdings nicht und zu den weiteren Ärgernissen komme ich später, denn dies war erst der Anfang dieses tollen Tages.

Nach einer weiteren Stunde scheint das Objektiv abgetrocknet zu sein und wir versuchen uns in Tierbeobachtungen im kleinen und einzigen für Fußgänger erlaubten umzäunten Gelände. Das gesamte weitere Wegenetz darf leider nicht eigenständig begangen werden, auch wenn es nicht vom Eingangsbereich abgetrennt ist.

Namibias Webervögel schaffen Nester-Kunstwerke

Rosenköpfchen im Anflug

Vorsicht – unerwarteter Gegenverkehr

Zunächst gehen wir zu einem Baum voller knallgelber Webervögel. Unfassbar wie geschickt diese Vögel mit einfachen Grashalmen ihre kunstvollen Nester bauen und verknoten. Erste Probefotos zeigen zum Glück keinen Wasserschaden und wir hoffen, dass dies so bleibt. Gleich neben den Webervögeln sind zwei große Papageien in einem nicht zum Fliegen tauglichen Käfig eingesperrt und kraxeln am Maschendraht herum. Ein trauriges Bild, wie diese intelligenten Vögel für ihr ganzes Leben eingesperrt sind.

Während wir uns umschauen, fällt uns auf wie klein das Gelände mit Restaurant und Anmeldebüro ist und wie viele Tiere hier herumlaufen. Tiere, die üblicherweise in großen Herden riesige Flächen beweiden und deren Territorien sehr weitläufig sind. Uns kommt es vor wie ein kleiner Streichelzoo mit nochmals abgetrennten Minigehegen, wie zum Beispiel dem Minitümpel für die drei Krokodile. Auch Alpakas, Esel und Helmperlhühnern begegnen wir. Sogar eine Antilope muss hier für die Gäste eingesperrt sein. Bitter!

Helmperlhühner

Alpaka

Pavianmutter mit Baby

Esel und Antilopen gibt es auch

Sogar Krokodile findet man auf dem Gelände

Die vielen Paviane haben mehrere Gehege mit ein paar lieblosen Klettergerüsten. Doch es fehlt ausreichend Platz zum Zurückziehen von Revierkämpfen. Von artgerecht keine Spur. Wir sind sehr enttäuscht und geschockt über diese Touristenfalle. Von wegen „für die Tiere nur das Beste“ und „nur gequälte Tiere aus Gefangenschaft, die nicht wieder ausgewildert werden können“ finden hier Unterschlupf. Da helfen auch nicht nett gemachte Schildchen mit Einzelfallbeschreibungen über die Realität hinweg zu täuschen. Ja, es gibt sogar Tiere, die nach dem Auswilderungsversuch wieder zurückkehrten, aber ist dies wirklich ein Wunder, wenn sie hier keine natürliche Vorbereitungsumgebung vorfinden und mehr menschliche Nähe als nötig erfahren, inklusive gefüttert zu werden? Wozu eine zusätzliche Pavianaufzuchtstation dienen soll ist leider auch ein Rätsel, denn Paviane gibt es in freier Natur reichlich und nahezu überall. Als eine ältere zum Betrieb gehörende Dame (Chefin?) mit drei reinrassigen Edelhunden an mir vorbei stolziert, fühle ich mich in meinen Vorurteilen (!?) noch weiter bestätigt. Uns war nicht bewusst, dass wir hier eine Art Zoo besuchen, der etwas anderes vortäuscht zu sein, nämlich ein Platz für hilfsbedürftige Tiere.

Wir gehen weiter und beobachten einige Schildkröten deren Alter mit Farbe auf ihren Panzer geschrieben steht. Einige haben schon viele Jahrzehnte hinter sich, andere sind noch sehr klein und jung. Sie sind immer wieder schön zu sehen und wir sind überrascht von einer Mini Schildkröte und ihrem Tempo, dass sie im dichten Geländer zurücklegt. Die meisten Schildkröten halten sich am Außenzaun in der Nähe eines Bachlaufs auf. Nur so nebenbei, Schildkröten sollen in der Trockenzeit auf keinen Fall angehoben werden, da sie dann aus Furcht urinieren und somit wertvolle Körperflüssigkeit verlieren, das dann ihr Überleben in Gefahr bringt.

Zurückgezogen 🙁

Ausgezogen 🙂

Mini Schildkröte

Wie schnell die Kleinen sein können hat uns diese hier bewiesen 🙂

Zum Abschluss unseres Rundgangs beobachten wir noch bunte putzige frei herumfliegende Sittiche und diverse weitere Vögel, die das Gelände mit seinen Blumenbeeten und vielen Bäumen gerne besuchen kommen. Wir verlassen den eingezäunten Bereich und gehen zurück zu unserem Wagen. Am Nachmittag regnet es wieder wie aus Kübeln und die Campsite steht halb unter Wasser. Leider bietet sie auch keinen trockenen Unterstand zum Kochen oder hinsetzen und so verbringen wir den Nachmittag im Dachzelt. Nachdem es endlich am frühen Abend aufhört zu regnen, bieten sich uns noch ein paar Fotogelegenheiten an, denn die vielen Rosenköpfchen und andere Sittiche sitzen auf dem sandigen feuchten Boden und picken nach Nahrung. Auch ein Grauer Lärmvogel (der seinen Namen zurecht bekommen hat!) sitzt mit zerzaustem Gefieder in den hohen Bäumen um uns herum.

Nach dem Regen sieht das Rosenköpfchen etwas zauselig aus 🙂

Grauer Lärmvogel

Die Sittiche fliegen frei auf dem Gelände herum 🙂

Rosenköpfchen auf Futtersuche

Am Abend haben wir für 18.30Uhr einen Tisch reserviert und freuen uns auf leckeres Essen und nicht kochen müssen – so zur Feier des Silvestertages. Zu früh gefreut, wir sitzen pünktlich am Tisch und die Kellnerin erklärt uns und der Familie am Nebentisch, dass es heute erst ab 20.00Uhr etwas zu Essen gibt. Es gäbe heute Abend eine Mitarbeiterparty und die Küche sei mit den Vorbereitungen für deren Büffet beschäftigt. Schön, dass wir diese Info erst jetzt erhalten und nicht schon bei der Reservierung. Okay, Planänderung! Nadine geht kochen und ich kümmere mich ums Auschecken. Uns reicht es und wir möchten gerne morgen früh losmachen. Nach einer dreiviertel Stunde kommt endlich der Manager und ich kann ihm unseren Unmut erklären. Seine Betroffenheit wirkt echt und er bietet uns als Entschädigung Sonderleistungen für den frühen kommenden Morgen an. Er persönlich sorge für die Durchführung um 7.30Uhr an unserem Wagen. Ich lasse mich vertrösten und Dank Nadine haben wir auch gleich etwas leckeres zu Essen. Anschliessend legen wir uns ins Zelt und schauen die Fotos des Tages durch. Plötzlich dröhnt Livemusik vom Mitarbeitergelände zu uns herüber. Wohl bemerkt kein angekündigtes Silvesterfest für alle, ein nicht angekündigtes Mitarbeiterfest bis morgens um 6.38Uhr! Die Musik dröhnt die ganze Nacht und wir machen kaum ein Auge zu. Morgens warten wir völlig gerädert auf den Manager. Natürlich kommt auch der nicht und ich mache mich auf die Suche nach ihm, während Nadine abreisefertig im Wagen wartet. Nach einer Stunde können ihn seine Mitarbeiter endlich erreichen und er schleicht reichlich betrunken auf mich zu und ist sich keiner Schuld bewusst. Um es kurz zu machen, es folgt ein Wortgefecht und am Ende brauchen wir nichts bezahlen und gehören dafür zu den unerwünschten Menschen an diesem Ort. Der Zufall will es, dass wir auch sicher nicht vorhaben diesen Ort nochmals zu besuchen. Harnas-Wildlife-Foundatio, ein echtes No-Go für uns!

Geparden erkennt man gut an den schwarzen „Tränen“ im Gesicht

Und auch das gedrungene Gesicht unterscheidet sie vom Leoparden

Geparden haben wir an diesem Morgen auch noch drei gesehen, sie leben in einem Gehege gleich neben unserer Campsite. Mit diesen Tieren werden zwei Mal am Tag Spaziergänge angeboten, wo sie mehr oder weniger neben den Gästen herlaufen sollen. Sie sind von Geburt an an den Menschen gewöhnt und können nicht mehr ausgewildert werden. So leben sie nun in einem Gehege was recht groß ausschaut, aber trotzdem dazu führt, dass sie vorwiegend am Zaun entlang laufen, wo sich dadurch ein richtig ausgetretener Pfad gebildet hat. Eben nicht groß genug für diese schnellen Großkatzen, um die es hier hauptsächlich gehen sollte. Es geht wie sooft um Gewinnmaximierung. Schade, denn die Grundidee ist eigentlich gut. Nur die Umsetzung bedarf einer deutlichen Anpassung an die Bedürfnisse der Tiere.

Zum Glück ist dieser Ort die einzige Enttäuschung, die wir in Namibia erlebt haben.

Frohes neues Jahr!

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