Weltreise Tagebuch

#135 Zu Besuch bei den Himba

Nadine

20. Dezember 2018

Der Norden Namibias ist die Heimat eines alten Halbnomaden Volkes – den Himbas. Vorallem die Frauen mit ihrer auffallenden Haarpracht, dem vielen Schmuck und der rot geschminkten Haut fallen besonders auf. Wir lernen einen Himba kennen, der uns eines der vielen traditionellen Dörfer vorstellen möchte.

Als wir gestern nach zwei Anreisetagen endlich am Epupa Camp angekommen sind, sprach uns direkt nach dem Aussteigen ein Mann an, hieß uns herzlich willkommen und stellte sich als Joao vor. Ein unglaublicher Zufall! Denn genau zu diesem jungen Mann wollten wir auch hin! 😀 Und warum? Nun ja – in einem Reisevlog von den beiden super sympathischen Weltreisenden Anja und Daniel von Gehmalreisen (übrigens sehr sehr empfehlenswerter Blog) haben wir erfahren, dass eben dieser Joao in einem Himbadorf aufgewachsen ist und jetzt als Guide den Besuchern die Himbakultur näher bringen will. Klingt total spannend und so haben wir gestern direkt zugesagt und eine Tour zu einem Himbadorf gebucht.

Heute morgen sind wir aufgewacht und waren direkt ein bisschen aufgeregt. Immerhin lernt man nicht jeden Tag ein Volk kennen, dass noch so ursprünglich und traditionell lebt. Wir hoffen, wir machen nicht ausversehen etwas Beleidigendes oder treten in diverse Fettnäpfchen. Auf unserer Weltreise haben wir ja schon einige kennengelernt (aber zum Glück vorher immer schon gewusst :-P). In Indien darf man nur mit der rechten Hand essen, in Thailand zeigt man nicht mit der nackten Fußseite auf sein Gegenüber und in vielen asiatischen Ländern wird es nicht gerne gesehen, wenn man Kindern über den Kopf streicht. Nur mal um ein paar Beispiele zu nennen 😉

Wir treffen uns um 8 Uhr mit Joao und fahren mit ihm zu einem winzigen (und zeitgleich einzigen) „Supermarkt“ im Dorf. Wir gehen durch die Eingangstür und stehen gefühlt im Büro des Sherrifs 😉 Ein Raum der unterteilt ist in Gefängniszelle und Vorraum. Der Vorraum ist leer und in der Zelle sind zwei Regale und eine Palette mit Lebensmitteln. Vertrauenswürdig wie wir sind, wird uns die Zellentür geöffnet und wir schauen uns um, während Joao ein paar Dinge zusammensucht. Nicht für uns, sondern für die Himba. Sozusagen unsere Gastgeschenke 🙂 Joao sucht sein „Best of“ aus und dann wird der Taschenrechner gezückt – Kasse und Theke gibt es nicht, zahlen tun wir trotzdem ;-): 1l Pflanzenöl, einen 5kg Sack Maismehl, Knorr Gemüsebrühe und ein Pfund brauner Zucker. Vor der Tür sitzt noch die Wäscherin von der Campsite und verkauft uns für die Kiddies zwanzig frische Fat Cakes (so ein bisschen wie Krapfen, aber bestehend aus Maismehl, Öl und Salz (kein Zucker!)). Die Fat Cakes haben wir natürlich noch schnell selber probieren müssen – sie waren erstaunlich süß und lecker – Maismehl hat seinen eigenen Zucker 🙂 Und dann geht’s auch schon los. Während der Fahrt versucht uns Joao noch ein paar Himba Vokabeln beizubringen.

„Morrow, morrow!“ sagt man zur Begrüßung. Danach fragt man höflich: „Pere wie?“ – „Wie geht es dir?“ und bekommt dann als Antwort „Pere naua“ – „Mir geht es gut.“ Das ganze mit der richtigen Betonung und einer Lernzeit von fünf kurzen Minuten – unterbrochen von seinen Weganweisungen – ist für uns Sprachtalent’ler eine kleine Herausforderung ;-P Wir halten in der Nähe von einigen kleinen Lehmhäusern, die mitten im Busch stehen. Wir sehen einige Himbafrauen und ein paar Kinder zwischen und aus den Häusern hervorkommen. Joao steigt aus und bittet uns im Auto zu bleiben. Er möchte uns im Dorf ankündigen und um „Erlaubnis“ fragen. Er erklärte uns im Vorfeld, dass er nicht immer das gleiche Dorf besuchen geht, sondern abwechselnd verschiedene Familien anfährt. Klingt absolut vernünftig finden wir. So kommt nicht jeden Tag im Dorf ein Touristenrudel vorbei, sondern vielleicht einmal alle ein bis zwei Wochen. Aktuell haben wir Nebensaison und unsere Gruppe besteht nur aus uns beiden und unserem Guide – auch das Dorf scheint wenig belebt.

Nach ein paar Minuten kommt Joao zurück zum Auto und sagt, dass wir nun aussteigen dürften. Bevor wir ins Dorf laufen, erklärt er uns was wir zu beachten haben. In jedem Himbadorf gibt es das Heilige Feuer – ein Feuer, das immer brennt und zu allen wichtigen Anlässen genutzt wird um eine Verbindung zu den Ahnen herzustellen um Antworten auf ihre Fragen zu erhalten. Auch die Namen der Kinder werden mit Hilfe der Ahnen herausgefunden und haben immer eine Bedeutung. Eben jene Feuerstelle ist der heiligste Platz im Dorf und darf von Besuchern nicht von der falschen Stelle betreten werden. Wir halten einen gebührend großen Abstand von dieser heiligen Stätte 😉

Wir nähern uns den „roten Nomaden“ wie die Himba auch genannt werden. Eifrig rufen wir uns die eben gelernten Wörter ins Gedächtnis und begrüßen die Himbafrauen mit „Morrow morrow!“. Anscheinend haben wir es gut genug ausgesprochen, denn sie antworten ebenfalls mit „Morrow morrow“ – nicht ohne ein bisschen amüsiert zu lächeln 😉 Wir fragen brav wie es ihnen geht und sie antworten ganz nach Protokoll mit „Pere naua.“ Cool, das hat schon mal geklappt und hat das Eis gebrochen. Wir packen nun unsere mitgebrachten Fat Cakes aus und verteilen fleißig an die kleinen und großen Kinder. Und auch die Frauen greifen gerne zu. Während um uns herum genüsslich gekaut wird, versuchen wir uns mit den Kindern anzufreunden. Die sind so unkompliziert, neugierig und liebenswert, dass das ganz schnell klappt. Vielleicht hilft da aber auch so spannendes Spielzeug wie mein Smartphone, meine Brille und unsere Kamera 😉

Beeindruckende Frisur!

Die jüngste Himba Generation

Smartphones finden diese Kids natürlich auch cool 😉

Und er wollte Nadines Brille am liebsten behalten 😛

A propos Kamera. Wir sind ja beim Fotografieren von anderen Menschen eher schüchtern und wollen nicht respektlos sein. Selbst wenn man uns sagt, dass wir fotografieren dürfen. Wir wollen nicht einfach nur in den Alltag von Menschen „einbrechen“ und alles nur durch die Linse sehen. Wir stellen uns dabei immer vor wie es uns ergehen würde und wie es sich anfühlen würde, wenn uns Menschen besuchen, die nur daran interessiert sind möglichst viele Fotos zu machen und dann wieder verschwinden. Wir würden uns wohl wie im Zoo fühlen. Nur eben auf der anderen Seite des Zauns. Und dieses Gefühl wollen wir anderen auch nicht vermitteln. Also fragen wir zehnmal nach bevor wir uns trauen und selbst dann lassen wir das ein oder andere Fotomotiv bewusst aus. Selbst wir finden, dass ein Moment intensiver ist, wenn wir mal nicht die Kamera vor der Nase haben 😉 (Aber natürlich freuen wir uns trotzdem über schöne Erinnerungsfotos.)

Materielle Güter sind im traditionellen Leben der Himba nicht so viel wert. Denn der wahre Reichtum liegt an der Anzahl der Tiere. Besonders die der Rinder. Tiere sichern ihnen ihr Leben. Denn hier im Nordwesten Namibias ist das Land heiß und trocken. Tiere liefern Milch, Fett, Fleisch, Fell und Horn. Fleisch wird nur zu bestimmten Anlässen gegessen. Ihr Hauptnahrungslieferant ist Maismehl aus eigenem Maisanbau und die fetthaltige Milch – und alles was daraus hergestellt wird. Mittlerweile leben nur noch wenige Himba so tief-traditionell. Vorzüge wie auch Nachteile aus dem modernen Leben haben auch hier Einzug gehalten. Wasser aus dem Supermarkt statt aus weitentfernten Brunnen gehört definitiv zu den echten Erleichterungen. Aber sowas wie Strom gibt es hier nach wie vor nicht.

Wir dürfen einen Einblick in eins der aus Zweigen, Lehm und Dung hergestellten Häuser bekommen und folgen Joao und einer der Himbafrauen in das dunkle Innere. Viel zu sehen gibt es nicht, aber viel kann man nicht unterbringen in einem Häuschen, dass nicht mehr als drei Quadratmeter und eine Standhöhe von 1,5m hat 😉 Der Eingang ist so niedrig, dass sogar ich mich bücken muss 😛 Auf dem Boden liegt eine Tierhaut, die sowohl als Bett wie auch als Sitzgelegenheit dienen soll, an der Wand hängen traditionelle Kleider und Schmuck. In der Mitte eine kleine Räucherstelle zur Abwehr von Moskitos und „Pflege“ der Kleidung. Viel mehr gibt es nicht. Die Himba Frau öffnet ein kleines Döschen und reicht uns eine rote Paste, bestehend aus zermahlenem Ocker und Glycerin (traditionell mit Butterfett). Sie malt unsere Handrücken mit der roten Farbe an und erzählt, dass sie jeden Tag ihre Haut damit einfettet. Zum einen um sich vor Hitze, Sonne und Mücken zu schützen und zum anderen, weil es ihrem Schönheitsideal entspricht. Die rote Haapracht der Himbafrauen mit ihren aufwendigen Zöpfen und „Puscheln“ aus Plastikhaar (traditionell mit Federn) am Ende gehören in die selbe Kategorie. Sie machen das weil es ihnen eben gefällt 🙂 Und so reiben sie nicht nur ihre Haut mit Ocker ein, sondern eben auch jeden einzelnen Zopf. Die vielen Ketten, Arm- und Fußreifen dagegen haben alle eine Bedeutung. Ob ein Mädchen schon eine Frau ist (also ihren ersten Zyklus hatte), ob eine Frau schon Kinder hat und wieviele oder ob eine Frau verheiratet ist. Anders als wir erwartet hatten, sind Frauen mit Kindern nicht unbedingt gleichzeitig verheiratet. Geheiratet werden kann auch nach den Kindern! Ebenso ist es nicht unüblich mit mehreren Frauen (oder Männern) in einer Beziehung zu sein.

Als wir die Lehmhütte wieder verlassen, stellen wir fest, dass die Himba ein paar Decken auf dem Boden ausgebreitet haben um ihre Handwerkskunst zu präsentieren. Natürlich um sie uns zu verkaufen 😉 Da liegen unzählige Armkettchen, Reife, Ringe und sogar Holzpuppen, die wie die Himba aussehen. Vieles ist aus Leder oder aus Fell. Anderes aus Holz, Perlen, Kupfer oder Silber. Eigentlich können wir mit Schmuck nicht viel anfangen, auch wenn wir durchaus das ein oder andere Teil schön finden. Unsere Eheringe finden wir auch voll schön, tragen sie aber selten 😛 Irgendwie mehr aus Mitgefühl für die ganze Arbeit ihren Schmuck auszustellen als aus wirklichem Interesse, kaufen wir dann doch einen Armreif. Ursprünglich wurde der Schmuck ausschliesslich aus alltäglichen Naturprodukten hergestellt. Heutzutage wird meistens darauf verzichtet, da die Kleinteile einfach eingekauft werden können und die Metalle sowie Nylonschnüre viel länger halten als Holz, Knochen und Tierhaare. Irgendwie Modeschmuck á la Himba 😉

Das Himba Dorf

Kunsthandwerk

Die Häuser bestehen aus Lehm und Dung

Bevor wir uns von den Himba verabschieden, überreichen wir ihnen noch die ausgesuchten Lebensmittel. Sie bedanken sich bei uns und wir uns bei ihnen für ihre Zeit 🙂 Zurück im Camp sprechen wir über den Ausflug zu den Himba. Es war definitiv spannend und interessant einen Einblick in diese Kultur zu bekommen. Trotzdem bleibt ein komisches Gefühl bei uns stecken. So richtig authentisch hat sich das jetzt nicht angefühlt. Mehr wie ein lebendes Museum. Wir haben weder die Tiere der Himba gesehen, noch ein echtes Dorfleben. Selbst das Heilige Feuer glimmte vor sich hin, wenn überhaupt. Und außer einem alten Mann haben wir nur ein paar Himbafrauen und ihre Kinder gesehen. Keiner hat etwas gekocht, Tee gemacht, Tiere gehütet oder eine rote Paste hergestellt. Angeblich leben sie seit 30 Jahren dort, doch es machte den Eindruck sie seien gerade zu Besuch und warten bis sie abends wieder nach Hause, ihrem richtigen zu Hause, gehen können. Es gab noch ein paar weitere Ungereimtheiten, mit dem was uns Joao erzählt hat und dem wie es wirklich war. Gerade weil es die Möglichkeit gibt, auch „offizielle“ Museums Dörfer zu besuchen hatten wir uns gefreut ein „echtes“ Dorf besuchen zu können und waren auch deshalb sehr zurückhaltend in unserem Verhalten. Es war interessant, doch das sichtbare aber unausgesprochene Schauspiel bremste den interkulturellen Austausch deutlich aus. Irgendwie spannend und trotzdem schade.

Am Abend sehen wir eine Himbafrau wie sie mit einer großen „Yves Saint Laurent“ Handtasche am Arm an unserer Camsite vorbei geht 😉 Willkommen Realität 🙂

Menü