#101 Albanien: Wandern im Valbona Tal
Nadine
04. September 2018
Albanische Alpen, Verbotenes Gebirge oder Prokletije wie es die Einheimischen nennen. Viele Namen gibt es für das höchste Gebirge der Dinarischen Alpen. Bis ins 20. Jahrhundert war diese Landschaft eine „Terra Inkognita“ und für Gebietsfremde unzugänglich. Heute lebt das Valbona Tal, das Teil der Albanischen Alpen ist, vom Tourismus. Überlaufen ist es aber nicht. Im Gegenteil.
Viel gibt es nicht im Valbona Tal. Kein Supermarkt, keine Bar, keine (Sport)geschäfte und erst recht keine Seilbahnen oder Skilifte. Trotzdem lebt hier fast jede Familie vom Tourismus. Und so findet sich eine Pension nach der anderen. Dazwischen liegen kleine Restaurants. Albaner aus der Stadt erfreuen sich an der klaren Luft, dem eiskalten Wasser der Valbona und dem imposanten Anblick der steil aufragenden Berge. Gäste aus dem Ausland wollen meist nicht nur hochgucken sondern auch hochwandern 😉 Dazu gehören wir natürlich auch. Einen Haken gibt es aber. Auch wenn der gleichnamige Ort Valbona stolze 930m über dem Meer liegt, so muss man doch ordentlich Höhenmeter zurücklegen um eine 360 Grad Aussicht von einem Gipfel genießen zu können. In Zahlen: 1500m rauf und 1500m runter. Im Durchschnitt. Zum Glück können wir uns auch auch mal mit einer Bergtour ohne Gipfel zufrieden geben. Einzige Bedingung: Ausblicke müssen drin sein! Wir finden eine Rundtour, die unseren Wunsch erfüllt und bei der wir „nur“ noch 650m rauf und 650m runter wandern müssen bei einer reinen Gehzeit von knappen fünf Stunden.
Maja e Thatë (linker Berg), 2406m
Unsere Rundtour führt uns auf das vorgelagerte Plateau der beiden hohen Berge – immerhin schon gute 650 Höhenmeter
Der Startpunkt beginnt am Ufer der Valbona. Viele minimalistisch angelegten Holzplanken führen über das Flussbett. Wobei, nutzen müssen wir sie nicht, Wasser ist grad Mangelware und so laufen wir über das graue Kiesbett der Valbona. Auf der anderen Seite angekommen, warten nicht nur die ersten warmen Sonnenstrahlen, sondern auch die erste Steigung. Es geht steil nach oben und wir gewinnen schnell an Höhe. Durch die Bäume erhaschen wir immer wieder ein paar Blicke auf die hohen Steinriesen. Fühlt sich an wie mitten in den Alpen von Österreich oder Italien. Nach guten 1,5 Stunden betreten wir ein Plateau, dass wie ein riesiger Balkon vor den Gipfelketten liegt und einen genialen Ausblick bietet.
Der perfekte Pausen- und Brotzeitplatz – eindeutig! Während wir schmausend die Aussicht bewundern, fliegen unzählige Schmetterlinge von Blume zu Blume. Eine Echse verfolgt aufmerksam das Treiben eines zitronengelben Falters und nähert sich ihm. Aber sein Beuteziel fliegt munter davon. Vielleicht hat er ja mehr Glück bei den vielen Heuschrecken, die sich in der Wiese tummeln. Während wir noch einen Keks als Nachspeise verspeisen, schwirrt ein großes Insekt an unseren Köpfen vorbei und bleibt in der Luft direkt vor einer Blüte stehen. Wie ein Kolibri „steht“ es still an einem Fleck, fährt einen Rüssel aus und saugt sich den Nektar aus dem Inneren. Ein Taubenschwänzchen! Eigentlich ein Schmetterling, aber durch sein Flugverhalten auch gern Kolibrischwärmer genannt. Viel zu schnell für die Kamera und das Zoomobjektiv. Der Fokus kommt nicht hinterher und zickt unpassenderweise grad wieder rum. Immerhin eine Aufnahme klappt dann doch 🙂
Es kündigen sich ein paar schnelle Wolken an und wir beschließen auch weiter zu ziehen. Der Rückweg ist tatsächlich anstrengender als der Aufstieg, da wir viel über steiles Schuttgeröll absteigen müssen. Ein Tier über uns löst einige größere Steine los und wir hören wie sie sich ihren Weg nach unten bahnen. Irgendwie klingt es bedrohlich nah und wir legen einen kleinen Sprint ein. Zum Glück war es doch weit genug weg. Aber besser einmal zu viel gerannt als ein Loch im Kopf! Gegen 13 Uhr erreichen wir wieder das Flussbett der Valbona – diesmal an einer Stelle, wo ein bisschen Wasser vorhanden ist, queren dieses über einen halbierten Baumstamm und stehen auf der Straße. Auf dem Weg zu unserem Auto schauen wir uns noch einen der vielen alten Mini Bunker an, die man in Albanien oft sehen kann. Insgesamt soll es 170.000 Stück geben. Während Carsten draußen wartet, gehe ich in gebückter Haltung in den Eingang hinein und in den kreisförmigen Betonraum mit einem Ausguck, der im Fall der Fälle vermutlich auch als Schießscharte hätte verwendet werden können. Echt eng hier drin. Wer größer als 165cm ist, stößt oben an. Und viel mehr als acht Leute passen hier wirklich nicht rein.
Insgesamt (mit (Foto-)Pausen) brauchen wir dann doch nur 4,5 Stunden, merken aber trotzdem unsere leicht müden Beine 😉 Ab ins Auto und zurück zur kleinen Stadt, wo unser Hotelzimmer auf uns wartet. Vorher aber halten wir aber noch auf der kurvenreichen Straße an um von dem sattgrünem Wasser der Valbona ein Foto zu machen. Eiskalt ist sie und erinnert uns an die Soča in Slowenien. Nur das wir diesmal auf die Abkühlung verzichten. 😉
Schön war es! Und viele Wanderer haben wir auch nicht getroffen – der Tourismus ist trotzdem angekommen. Leider gehört auch hier im Tal der viele Müll zum Alltag. In den Bergen selbst ist uns nichts aufgefallen, dafür aber schwimmt umso mehr davon in der Valbona oder liegt im Gebüsch der Uferböschung. Das liegt nicht unbedingt am Tourismus. Wir sehen immer wieder wie Einheimische aus dem Autofenster diversen Verpackungsmüll entsorgen. In den Haltebuchten stapeln sich dazu noch Plastikflaschen, Dosen und Taschentücher. Es ist nicht das einzige Land im Balkan, dass sich nicht um Bildung und Umweltbewusstsein kümmert. Aber sind wir mal ehrlich. Noch vor 30 Jahren sah es in Deutschland auch nicht besser aus. Und in Ländern wie Albanien sind die Alltagssorgen bedingt durch die Armut größer als die Sorge um eine saubere Umwelt.
Wir verlassen Albanien für einen kurzen Abstecher in ein Land, von dem wir dachten, dass wir es nie besuchen würden. Warum? Das schreiben wir im nächsten Beitrag 🙂